gestern im amtsgericht
: Zwei Männer vertickten „Vitamin-Matratzen“

Der Doktor und die Kaffeefahrt

Schon mal was von „Vitamin-Matratzen“ mit „integrierten Bio-Chip-Modulen“ gehört, die im Schlaf Vitamine abgeben und das Schnarchen kurieren? Alles Unfug, wie sich gestern bei einem Prozess im Amtsgericht herausstellte. Und dennoch verkauften Hans H. (43) und Thorsten M. (34) im Juli 2001 auf Kaffeefahrten ihre „Vitamin-Matratzen“ für 250.000 Mark. Kosten pro Stück: stolze 1.398 Mark. Bei zehn Kaffeefahrten hatten sich vorwiegend ältere Kunden mit dem Humbug eingedeckt, schnarchten aber trotzdem weiter – offensichtlich Betrug.

Mit schriftlichen „Frühjahrskategorienverlosungen“ hatten M. und H. Rentner zu Busfahrten ins Bremer Umland gelockt. In den Briefen gratulierten sie zu einem „Bargeldgewinn“, der doch bitte schön bei einem arrangierten Ausflug abzuholen sei. Dann stellten die beiden „Gesundheitsbotschafter“ ganz beiläufig ihre Matratze mit Namen „Kur-System 90/190“ vor.

Dabei ging das Gauner-Duo offenbar taktisch klug vor. Hans H. soll sich als angehender Doktor Leonhard aus der Schweiz ausgegeben und in seinen Reden die Vorzüge der Wunder-Matratze gepriesen haben – während der Werbefahrten fungierte er als „Moderator“.

Sein Partner, der solariumgebräunte und reichlich gegelte Thorsten M., nahm bei den Kaffeefahrten die Bestellungen entgegen. Der gelernte Einzelhandelskaufmann und Familienvater geriet nach eigenen Angaben schon vor Jahren „auf die leicht schiefe Bahn“. Derzeit ist er wie H. arbeitslos und lässt sich von seiner Lebensgefährtin unterhalten, der er symbolisch 100 Euro Miete zahlt.

In der Verhandlung verhielt sich der nicht vorbestrafte „Doktor“ eher wortkarg. Dafür redete die Verteidung: Kaffeefahrten würden „doch immer so ablaufen“ – und seien an sich nicht strafbar.

Die Staatsanwältin sah das alles anders. M. sei kein unbeschriebenes Blatt: „Sie sind doch nie aus der Branche herausgekommen“. M. hätte schon unter Pseudonym Lieferanten betrogen und dafür einige Zeit im Bau gesessen. „Ich möchte nicht, dass er hier grinsend hinaus geht.“

Beide Angeklagten waren geständig, bestritten aber, dass sich Hans H. als Doktor ausgegeben hatte. Dann ging es mal um Kasachstan oder um die Solariumgewohnheiten des Angeklagten Thorsten M.

Erst der Richter brachte wieder Klarheit in das Verfahren, indem er das Gutachten über die angebliche „Bio-Matratze“ präsentierte. Zwar enthielt sie kleine sechseckige Plättchen, die einen gewissen Vitamin- und Mineraliengehalt aufwiesen. Diese Dosis sei jedoch viel zu schwach, um die angepriesenen Erwartungen zu erfüllen. Es sei auch „ausgeschlossen“, dass diese Substanzen durch die Haut aufgenommen werden könnten, so das Gutachten.

Der Richter hielt beiden Angeklagten letztlich zwar zugute, dass sie sofort gestanden und somit eine quälende Verhandlung über mehrere Tage verhindert hatten. Dennoch fällte er ein Urteil ganz im Sinne der Staatsanwaltschaft. Thorsten M. wurde zu einer Bewährungsstrafe in Höhe von fünf Jahren verurteilt, zudem zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro. Hans H. wurde zu drei Jahren auf Bewährung und 5.000 Euro verdonnert. yml