Pleitedebatte im Landtag

SPD und PDS setzen im Parlament den Nachtragshaushalt 2003 durch. Finanzsenator Sarrazin (SPD) zeigt sich in der Aussprache ungerührt von wenig rot-rotem Rückhalt für seine radikaleren Sparideen

von STEFAN ALBERTI

Thilo Sarrazin ist reichlich gelassen an diesem Tag für einen Politiker, der zuletzt mächtig einstecken musste. Lesend, notierend, höchstens mal die Augenbrauen hebend, wenn sein Name fällt. Der SPD-Finanzsenator zeigt sich im Abgeordetenhaus äußerlich unberührt davon, dass ihn seine rot-roten Kabinettskollegen jüngst mit zu hart erscheinenden Sparideen auflaufen ließen. Niedrigere Sozialhilfe, weniger Wohngeld, das erschien denen zumindest jetzt nicht vertretbar. Es ist mehr Referat als Rede, als er am Mikro nüchtern die Lage bilanziert und weitere Eingriffe bei den Sozialausgaben fordert. „Dem wird sich am Ende niemand entziehen können.“

Dass das Parlament an diesem Tag mit Stimmen von SPD und PDS einen Nachtragshaushalt für 2003 beschließt, damit Mehrausgaben und mit 471 Millionen neuer Schulden Steuerausfälle auffängt, gerät fast zur Nebensache. Zu sehr hallen die jüngst bekannt gewordenen Zahlen von deutlich höherer Verschuldung auch in den nächsten Jahren nach. Allein 2004 braucht das Land nach Sarrazins Planung nicht drei, sondern 5,4 Milliarden Euro Kredite, um seinen Haushalt zu finanzieren.

Die Opposition nutzt den Anlass, die rot-rote Finanzpolitik komplett zu geißeln. „Wo soll das eigentlich übermorgen enden, Herr Sarrazin? Ich sage es Ihnen: im Staatsbankrott“, meint CDU-Haushälter Nicolas Zimmer. Er fordert eine gemeinsame „Agenda für Berlin“, bietet Zusammenarbeit. „Meine Nummer ist 23 25-21 54. Wenn jemand Interesse haben sollte, rufen Sie an.“

Grünen-Experte Jochen Esser sieht nur „einen Buchaltersenat, der außer Sparen keine politischen Ideen hat“. Immer mehr Leute dächten: „Wenn das alles ist, was bei Rot-Rot herauskommt, hätten wir uns die Neuwahl schenken können.“ Esser kritisiert unter anderem das Ende der Lernmittelfreiheit. Das sei nicht nur falsch, sondern bringe auch nicht die angeblichen Einsparungen. Eine „Luftbuchung“ nennt er die im Nachtrag eingeplante Wasserpreiserhöhung um mindestens 18 Prozent: Dafür liege weder ein Modell noch das nötige Gesetz vor.

Die rot-rote Koalition kann an diesem Tag schon rhetorisch nicht mithalten. Für SPD-Haushälterin Iris Spranger, die bei der Opposition keine alternativen Konzepte zur Haushaltsanierung sah, gibt es selbst in den eigenen Reihen schwachen Beifall. Und auch PDS-Finanzexperte Carl Wechselberg reißt das Plenum nicht mit, als er für die verschärfte Misere die bundesweite Flaute verantwortlich macht.

Als „Märchenstunde bei Tante Iris“ tut FDP-Fraktionschef Martin Lindner den SPD-Beitrag ab, grenzt sich aber auch zur CDU hin ab. Auch die sei nicht zu echten Einschnitten bereit, gehöre zur „in ihren verschiedenen Schattierungen versammelten Sozialdemokratie Berlins“. Der Finanzsenator wiederum, für Lindner der einzig wirklich Reformbereite in der Regierung, müsse sich nach jüngstem Widerstand in den eigenen Reihen fragen, was er noch im Senat mache: „Da gehören Sie nicht hin.“

Sarrazin nimmt auch Lindners Worte ungerührt hin, spricht später von weiteren Sparzwängen, um Mehrausgaben auszugleichen. Leider sei diese simple Wahrheit noch nicht in allen Köpfen angekommen, sagt er – schier weniger zur Opposition als zu seinen Senatskollegen.