Der Krieg als Mutterglück

Ab in die Kiste: Bei seiner Coriolan-Inszenierung an der Bremer Shakespeare Company verdrängt Sebastian Kautz den Einfall, der den Abend getragen hätte in den Unterboden

Achten wir also auf die Frau Mama: Riesig groß steht sie zu Beginn da, drei Meter hoch, Bühnenbild und handelnde Person, in gallegrünem Gewand. Sie stöhnt ächzt, wimmert und schreit sogar ein bisschen – wenn auch unter Kreißsaalniveau. Aber man versteht’s: Volumnia gebiert. Thomas C. Zinke schiebt sich kahlschädelig als Martius aus den Rockschößen. Und sie hetzt ihn liebevoll auf, macht ihn hart und stark: „Kämpf“, schreit Susanne Plassmann, immer wieder: „Kämpf!“ Auf dass ihr Sohn bald die Volsker plätte, ihre Stadt Corioli verwüste und sich dadurch einen Namen mache: „Coriolanus“.

So heißt auch ein Shakespeare-Drama. Mit vielen, vielen Plebejern, mit Senatoren, Volkstribunen, verfeindeten Kriegern und 20 echten Rollen; mit Namen, die an Asterix und Obelix erinnern; mit einem Kriegshelden, der, vom Volk verbannt, die Seiten wechselt und Rom bedroht, am Ende von der Mutter aufgehalten und vom alten Feind verraten wird – ein sperriges Stück.

Immerhin 20 Jahre hat auch die Bremer Shakespeare Company gebraucht, um einen Zugang zu der Schwarte zu entdecken, als vorletzte der Tragödien des Patrons: Jetzt fehlt nur noch „King John“ in der Sammlung.

Regisseur Sebastian Kautz hat sich der offenen Rechnung angenommen. Rabiat aber plausibel reduziert er die Chose auf zehn Rollen, verteilt auf vier Akteure. Und lässt dabei anfangs keinen Zweifel, dass er das Stück als Mutterdrama sieht: Einen Prolog hat er der von Rainer Iwersen besorgten Neuübersetzung verordnet, und lässt die Übermama die Gattin des Kriegers nicht einmal als Handpuppe, sondern bloß als rosa Damenstrumpf über die Hand streifen.

Praktisch: Damit sind Martius und Volumnia zugleich Herrin und Knecht, Sklavin und Gebieter, erbitterte Feinde und Freunde. Strahlende Hysterie besiegt im zum Monolog verdichteten Zwiegespräch die Zweifel der Braut bei Kriegsbeginn. Prickelnd erotisch die freudige Umarmung nach der gewonnenen Schlacht.

Und dann ist Pause. Und der Einfall, der das Stück getragen hätte, verschwindet in der Kiste, ängstlich verdrängt. Dafür treten Volsker auf, die durch vorsprachliches Ächzen kommunizieren und toll turnen können. Affen, Menschen? Befremdliche Fahrwasser. Zumindest aber kein vollwertiger Ersatz für eine wirklich gefährliche Mutter. bes

Shakespeare Company, Leibnizplatz, Bremen. Nächste Aufführungen: 14. & 19. 2., 19.30 Uhr, 29. 2.,18 Uhr