Für eine Hand voll Hirse

„Al’lèèssi … une actrice africaine“ von Rahmatou Keita und „Le retour d’un aventurier“ von Moustapha Alassane rekonstruieren im Forum ein längst vergessenes Kapitel afrikanischer Kinogeschichte: den Afrowestern

„Gewidmet den Pionieren des afrikanischen Kinos“ steht am Anfang von „Al’lèèssi … une actrice africaine“, Rahmatou Keitas Dokumentation über die Anfänge des nigrischen Kinos und Hommage an den Regieveteranen Moustapha Alassane und Zalika Souley, den ersten weiblichen Filmstar Afrikas.

Niger war in den Sechzigern das erste afrikanische Land mit einer unabhängigen Filmindustrie, doch heute ist davon kaum etwas übrig geblieben. Die Jugendlichen kennen Kinopioniere wie Alassane nicht mehr, obwohl er weiter Filme dreht, die Kinos sind verfallen, weil Video den Markt überschwemmt hat, und die nationale Kulturförderung hatte sich schon in den Sechzigern nie sonderlich um das Kino, Erfindung der weißen Unterdrücker, geschert. Er und seine Kollegen, erzählt Alassane in „Al’lèèssi … une actrice africaine“, finanzierten ihre Filme stets aus eigener Tasche. Es war die Liebe zum Kino, zum amerikanischen Kino natürlich, die sie, allesamt blutige Anfänger, in den Sechzigern dazu brachte, selbst Filme zu drehen. Und diese Liebe trieb seltsamste Blüte, wie Alassanes Spielfilm „Le retour d’un aventurier“ (1966), mit dem er Zalika Souley entdeckte. Ein Western, gedreht in Niger, mit einer Wild Bunch afrikanischer Cowboys, die zu sechst durch die westafrikanische Steppe reiten – und auf ihren Pferden statt Büffeln Giraffen jagen.

Manchmal kommen einem diese Bilder vor, als seien sie durch eine kulturelle Kontinentalverschiebung die Vorgänger für „Posse“ von Mario van Peebles, jenen Western, der in den Neunzigern versuchte, der Geschichte der afroamerikanischen Cowboys zu ihrem Recht zu verhelfen. Es sind einfache Gesten, die Verbindungen herstellen; etwa, wenn der Cowboy seinen Hut abnimmt und sein Haar schüttelt.

Der Erfolg und die Exzentrik des frühen Films des Niger ist für Rahmatou Keita untrennbar mit Zalika Souley verbunden. Souley war in den Sechzigern eine Rebellin, aber das Publikum liebte sie dafür nicht. Sie hat stets Prostituierte, Femmes fatales oder, wie in „Le retour d’un aventurier“, männlich besetzte Parts wie den des Outlaws verkörpert. Das afrikanische Pubklikum, sagt Alassane, habe den Unterschied zwischen den Leinwandfiguren und den Schauspielern jedoch nicht begreifen können.

Souley erzählt, dass sie damals wirklich geglaubt hatten, wer im Kino erschossen wird, sterbe tatsächlich. Das Wunder der Kinematografie, die Illusionsmaschine, hat Souley viel Unglück gebracht. Ihre Filme waren erfolgreich, aber ihr schlechter Ruf hält sich bis heute. Damals war ihr das jedoch egal, wie sie sagt. Sie war arrogant und kaufte sich im Monat drei neue Mopeds, nur um anzugeben. Heute ist sie eine typische afrikanische Hausfrau. Sie stampft mit ihren drei Kindern Hirse und bereut, damals alles Geld verprasst zu haben.

„Al’lèèssi … une actrice africaine“ durchschreitet die Ruinen dieses afrikanischen Filmerbes mit großer Fürsorge und einer Spur Melancholie. Doch dann zeigt „Le retour d’un aventurier“, dass diese Schönheit nie verloren gehen wird. ANDREAS BUSCHE

Beide Filme laufen zusammen: Heute, 10 Uhr, Arsenal; morgen, 16.30 Uhr, Babylon