Schmidt gibt Nachhilfe

Der Wahllügen-Ausschuss vernimmt Ulla Schmidt.Die doziert geduldig über Krankenkassen-Kalkulationen

BERLIN taz ■ Gesundheitspolitik verwirrt nicht nur Normalmenschen, sie verwirrt auch Abgeordnete. Gestern befragte der Wahllügen-Untersuchungsausschuss Gesundheitsministerin Ulla Schmidt – und die Veranstaltung geriet immer wieder zur Fortbildung.

So konnte sich der Ausschussvorsitzende Klaus-Uwe Benneter (SPD) erinnern, dass es im letzten Jahr zwei Gesetze gab, die den Anstieg der Arzneimittelausgaben begrenzen sollten. „Eines hieß doch irgendetwas mit Budget, oder?“, erkundigte er sich hilflos. Ulla Schmidt mütterlich: „Beitragssatzsicherungsgesetz“ und „Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz“.

Für CDU-Obmann Peter Altmeier verlief die Sitzung enttäuschend. Er konnte der Gesundheitsministerin nicht nachweisen, dass sie schon vor der Bundestagswahl im September hätte wissen müssen, dass die Kassenbeiträge zum Jahresende durchschnittlich von 14 auf 14,3 Prozent steigen würden.

Denn wie Ulla Schmidt bereitwillig erklärte, gibt es etwa 325 Krankenkassen, die ihre Beiträge eigenverantwortlich kalkulieren. „Das Ministerium weiß auch nicht mehr, als die Kassen liefern.“ Die Angaben über Einnahmen und Ausgaben würden jedoch erst zwei Monate nach Quartalsende eingehen.

Vor der Bundestagswahl ließ sich also nur die Entwicklung im ersten Halbjahr abschätzen. Bis Anfang Juli war bei den Kassen allerdings schon ein Defizit von 2,4 Milliarden Euro entstanden – am Ende des Jahres sollten es schließlich knapp drei Milliarden Euro werden.

Dennoch blieb Schmidt dabei, dass dieses Defizit „von niemandem vorhersehbar war“. Denn es sei üblich, dass Fehlbeträge im ersten Halbjahr durch Zusatzeinnahmen im zweiten ausgeglichen würden. Einige dieser „Sonderfaktoren“ 2002: Es gab relativ hohe Tarifabschlüsse, die erst im Sommer wirksam wurden. Zum 1. Juli stiegen die Krankenkassenbeiträge der Rentner. Zudem wurden in „zwei Tranchen“ Arzneimittel definiert, die nur noch als Billigversion verschrieben werden sollten.

Doch gerade bei den Arzneimitteln stiegen die Kosten – sie allein verursachten bis zum Jahresende ein Defizit von zwei Milliarden Euro. Dieses Kostenrisiko war Schmidt bewusst, sie wies vor der Wahl stets darauf hin. Dennoch wollte sie damals nicht das „Katastrophenszenario“ der Beitragserhöhung prognostizieren: „Das hätte den Druck von den Ärzten genommen, auf die Kostenbremse zu treten.“

So blieb es bei gelegentlichen Lernerfolgen für Politiker. Und bei dem Angebot des SPD-Obmanns Dieter Wiefelspütz, den „völlig überflüssigen“ Ausschuss möglichst bald zu beerdigen.

U.H.