Gepfefferte Ladung

Ein Journalist wurde am Rand der Sicherheitskonferenz in München von Sprayer-Polizisten angegriffen. Die Ermittlungen laufen nur schleppend

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Die Stimmung war aggressiv. Als am vergangenen Wochenende in München rund 4.000 Polizisten die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof bewachten, nahmen sie ihre Aufgabe verdammt ernst. Protestzüge wurden mit doppeltem Geleitschutz versehen, wer als Demonstrant einen falschen Schritt wagte, wurde mindestens zur Personalienfeststellung einbehalten. Wenn man es, wie der taz-Reporter, wagte, sich mit Blick auf ein paar Polizeifahrzeuge Notizen zu machen, reichte das ebenfalls zur sofortigen Ausweiskontrolle. Dialog: „Ich darf mir hier doch wohl etwas aufschreiben.“ – „Was Sie hier dürfen, entscheiden wir.“

Es gibt allerdings Dinge, die selbst die Polizei nicht darf. Etwa: einem Journalisten, der einen Einsatz filmt, aus nächster Nähe eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht sprühen. Genau das, sagt Michael Backmund, ist ihm während der Sicherheitskonferenz passiert. Dort war der Münchner Reporter mit einer Kamera unterwegs, um Material für eine Nachwuchsschulung der Deutschen Journalisten-Union zu sammeln. Wenige hundert Meter vom Bayerischen Hof entfernt, wurde Backmund Zeuge eines Polizeieinsatzes gegen Demonstranten, die auf einer Straßenkreuzung Transparente hochhielten: „Die wurden dann schnell von der Straße gedrängt, danach hat die Polizei einen Kessel um einen Teil der Gruppe gebildet.“ Es sei zu einem nicht nachvollziehbaren Schlagstockeinsatz gekommen.

Nebel von Spray

Andere Polizisten sperrten den Platz ab, doch nach Vorzeigen seines Presseausweises durfte Backmund die Polizeikette passieren. Er filmte gemeinsam mit einer Kollegin das Geschehen. Als der Einsatz beendet war und die Demonstranten abgeführt wurden, stand der Journalist für einen Moment mit seiner Kamera allein auf der Straße. Plötzlich sei ein Kleinbus in Silber und Grün ganz schnell losgefahren, erinnert sich Backmund. Der Bus habe direkt neben ihm angehalten, und er habe nur noch eine Hand gesehen, die aus dem Seitenfenster kam – „und dann einen Nebel von Spray“.

Danach bekam der Journalist die Augen eine halbe Stunde lang gar nicht mehr auf. Er sackte auf der Straße zusammen, eine Kollegin, die den Vorfall beobachtet hatte, brachte ihn auf eine Verkehrsinsel, wo ihm Sanitäter aus Reihen der Demonstranten schließlich die Augen ausspülen konnten. Offensichtlich hatte er aus wenigen Zentimetern Entfernung eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht bekommen – was höchst gefährlich sein kann.

Als er kurz nach dem Vorfall zufällig dem obersten Münchner Polizeisprecher Wolfgang Wenger begegnete, war der laut Backmund „schon etwas pikiert über mein immer noch rotes Gesicht. Er wollte sich dann selbst um den Vorfall kümmern, zumal mehrere Zeugen meinten, den Bus hinter einer Polizeisperre gesehen zu haben.“ Eine Journalistin hatte sich auch ein Münchner Kennzeichen notiert.

Passiert ist bis heute allerdings wenig. Die Polizei ermittle zwar, teilt Sprecher Peter Reichl mit, aber nur aufgrund eines Zeitungsberichts. Michael Backmund hat schon am vergangenen Dienstag über seine Anwältin Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt. Ein ärztliches Attest über das Pfefferattentat liegt ebenfalls vor. Laut Polizeisprecher Reichl gibt es bereits die interne Stellungnahme eines Beamten zu dem Vorfall, doch darüber will man sich erst äußern, „wenn wir auch Herrn Backmund dazu vernommen haben“.