Misstöne im Lager der US-Konservativen

Bei den Republikanern wird die Kritik an US-Präsident Bush immer lauter. Kann er das Vertrauen zurückgewinnen?

Verdutzt waren vor wenigen Tagen die Amerikaner, als sie Bill O’Reilly im Fernsehen über den Irakkrieg sprechen hörten. „Meine Analyse war falsch, und es tut mir Leid.“ War das O’Reilly, der ultrakonservative Scharfmacher von Fox News, der in seiner Talkshow stets für den Krieg geworben hatte? Aufgrund der vergeblichen Suche nach den irakischen ABC-Waffen habe er eine „viel skeptischere“ Haltung gegenüber der Bush-Regierung. Er schiebt dem Präsidenten auch keine persönliche Schuld an den Falschinformationen in die Schuhe, sondern den schwarzen Peter dem Geheimdienst CIA zu.

Der Geisteswandel des Talkmasters ist jedoch symptomatisch. Im konservativen Lager gärt es. Manche sehen Bushs republikanische Grundwerte verraten, andere beklagen, er buhle zu sehr um die politische Mitte, und viele bangen um seine Glaubwürdigkeit.

Eine Quelle großer Unzufriedenheit ist das Schwindel erregende Haushaltsdefizit. Die Republikaner fürchten, Bush ruiniere den Ruf der Partei, fiskalisch verantwortlich zu handeln. Ihr Unmut wird dadurch gesteigert, dass die Regierung „lediglich“ 400 Milliarden Dollar für die Reform der Krankenversicherung veranschlagt hatte, die Summe aber auf 534 Milliarden Dollar korrigierte. Republikanische Abgeordnete drohen im Kongress mit harten Etatverhandlungen.

Bereits im Januar erregte Bushs Plan, illegalen Einwanderern eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu erteilen, die Konservativen, die darin nicht nur die Belohnung eines Gesetzesbruchs sehen, sondern das auch aus wahltaktischen Gründen angesichts hoher Arbeitslosigkeit für falsch halten.

Delikat ist für Bush das Thema Homoehe. Nachdem das Oberste Gericht im Bundesstaat Massachusetts deren Legalisierung beschlossen hatte, drängen rechte Gruppen auf eine Verfassungsänderung, die die Ehe als rechtliche Gemeinschaft zwischen Mann und Frau festschreibt. Bush ist bereit, eine solche Initiative zu unterstützen, zögert aber, da er keine Wechselwähler verprellen will.

Auch sorgen sich Parteifreunde um Bushs schlechte Figur im Vergleich zu seinem wahrscheinlichen Herausforderer John Kerry. So ging Peggy Noonan, Kolumnistin und Redenschreiberin von Ronald Reagan, hart mit Bushs Auftritt bei seinem TV-Interview vergangenen Sonntag ins Gericht, das als Befreiungsschlag des Weißen Hauses gegen die Manipulationsvorwürfe in Sachen Kriegsgründe gedacht war. „Der Präsident wirkte müde, unsicher und oft konfus.“

Der konservative Kommentator George Will setzte noch einen drauf und erinnerte Bush in der Washington Post an den Satz des Schriftstellers Mark Twain, der Unterschied zwischen dem fast richtigen und dem richtigen Wort sei wie der „zwischen einem Leuchtkäfer und einem Blitz“. Die Regierung hätte bei ihren Warnungen vor irakischen Waffen besser die Worte „wir glauben“ statt „wir wissen“ verwenden sollen. Verlorenes Vertrauen in einen Präsidenten sei nur schwer wiederherzustellen.

Trotz des derzeitigen Unmuts besteht wenig Anlass zu der Annahme, dass Republikaner in Scharen zu den Demokraten überlaufen. Allenfalls könnten einige von ihnen nicht zur Wahlurne gehen – angesichts einer zu erwartenden knappen Wahl ein Hoffnungsschimmer für die Opposition. MICHAEL STRECK