Türkischer Albtraum

Ankara will vermeiden, dass die Ölstädte Kirkuk und Mossulunter kurdischen Einfluss geraten. Die USA sollen das garantieren

ISTANBUL taz ■ Mit den Bildern aus Kirkuk schien sich gestern der Alptraum der türkischen Politik zu verwirklichen. In langen Kolonnen zogen kurdische Peschmerga ohne Gegenwehr in das Ölzentrum im Norden Iraks ein.

Aufgeregt meldeten türkische Fernsehsender von Plünderungen und Anarchie in Kirkuk. Sie berichteten, von US-Truppen sei weit und breit nichts zu sehen. Damit scheint sich abzuzeichnen, was Ankara unbedingt verhindern wollte – eine kurdische Kontrolle über die Städte Kirkuk und Mossul.

Am Mittag meldete sich zunächst der türkische Verteidigungsminister Vecdi Gönül zu Wort und versuchte die Gemüter zu beruhigen. „Wir haben klare Absprachen mit den USA und wir denken, dass sie sich daran halten werden“, sagte er dem Nachrichtensender CNN-Türk. „Unsere Ansprechpartner sind nicht die kurdischen Clanchefs, sondern die US-Regierung.“ Außenminister Abdullah Gül klang zunächst martialischer: „Wir beobachten die Entwicklung im Irak genau. Wir werden alles tun, was nötig ist.“ Nach dieser etwas kryptischen Ansage gelang es dem türkische Außenminister dann offenbar, einen Kontakt zu seinem amerikanischen Kollegen herzustellen.

„Außenminister Powell“, so Gül am Nachmittag, „hat uns eine Garantie gegegeben, dass die USA selbst die Kontrolle über Kirkuk und Mossul übernehmen werden und die kurdischen Peschmerga aus der Stadt entfernt werden.“ Gül kündigte weiter an, die Türkei werde zu Informationszwecken Beobachter in den Nordirak entsenden.

Auch der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon sagte vor der Presse in London: „Wir wissen um die Sensibilität der Situation im Nordirak. Wir werden alles tun, um die Entwicklung unter Kontrolle zu behalten.“

Ein Sprecher des US-Zentralkommandos erklärte in Doha (Katar), man bemühe sich, US-Einheiten in die Stadt zu bekommen, um die regionale Stabilität zu wahren. Am Nachmittag beriet dann der außenpolitische Ausschuss des türkischen Parlaments, wie weiter vorgegangen werden solle. Türkische Truppen stehen seit Wochen entlang der irakischen Grenze Gewehr bei Fuß. Sie können praktisch jede Stunde losmarschieren. „Unsere Haltung“, sagte Gül im türkischen Fernsehen an die Adresse der USA, „ist sehr klar. Die US-Regierung weiß genau, wo unsere rote Linie ist.“ JÜRGEN GOTTSCHLICH