Das Regime macht blau

Bagdad, am Tag danach: US-Soldaten stoßen auf Widerstand, die Villen der Führungsriege werden geplündert, erste Flüchtlinge kehren zurück. Hilfsorganisationen sprechen von einer kritischer Lage

BERLIN taz ■ „Das Spiel ist aus.“ Diese Worte aus dem Mund des irakischen UNO-Botschafters Mohammed al-Duri waren der einzige offzielle Kommentar zu den Ereignissen in Bagdad am Mittwoch. „Ich hoffe jetzt auf Frieden für alle“, fügte er hinzu. Nach Angaben eines US-Senders flog al-Duri gestern nach Paris.

Auch nach dem Verschwinden des irakischen Regimes schätzten Hilfsorganisationen die Lage in der irakischen Hauptstadt weiter als kritisch ein. „Es herrschen nach wie vor absolut chaotische und unsichere Zustände“, sagte Helga Kuhn, Sprecherin von Unicef-Deutschland. Plünderungen und Straßenkämpfe in einzelnen Stadtvierteln machten die Arbeit der sechzig Mitarbeiter in Bagdad unmöglich. Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) nahmen demgegenüber ihre Arbeit in Bagdad wieder auf, wenn auch aufgrund der Sicherheitslage mit Einschränkungen. Nach dem Beschuss eines IKRK-Konvois und dem Tod eines Mitarbeiters am Dienstagabend hatte die Organisation sich außer Stande gesehen, weiter ihrer Arbeit nachzugehen.

Die US-Soldaten in der Stadt stießen auch gestern noch auf heftigen Widerstand. Ein Marineinfanterist sei bei Gefechten mit regierungstreuen Einheiten am Nordufer des Tigris getötet und dreizehn weitere Soldaten verletzt worden, sagte Stabsfeldwebel Jeff Treiber in der irakischen Hauptstadt. Ein AFP-Korrespondent berichtete, die Marineinfanteristen würden seit den frühen Morgenstunden von irakischen Kämpfern aus Häusern und Autos, von Dächern herab und unter Brücken hervor beschossen. Am Vortag war ein US-Marineinfanterist in einem Vorort Bagdads von einem Heckenschützen erschossen worden.

Die Soldaten besetzten auch eine Moschee am Nordufer des Tigris. Das Gebetshaus habe als Bastion von Anhängern Saddam Husseins gegolten, sagte Major Pete Farnum. Ein Reporter der britischen BBC berichtete, die Soldaten hätten die Moschee durchsucht.

In Bagdad waren gestern fast alle Geschäfte geschlossen, offenbar eine Reaktion auf die Plünderungen des Vortags. Angaben von Korrespondenten zufolge waren nur wenige Menschen auf den Straßen. Erste Gruppen von Einwohnern, die in den vergangenen Wochen aus der Stadt geflüchtet waren, kehrten zurück.

Allerdings wurden die verlassenen Villen der irakischen Regierung ebenso leergeräumt wie die deutsche Botschaft und das französische Kulturzentrum. In El Sader City, vormals Saddam City, errichteten Einwohner Straßensperren, um Passanten zu kontrollieren, ob sie bei Plünderungen erbeutete Gegenstände mit sich führten. Diese sollen in einer Moschee gesammelt und später ihren Eigentümern zurückgegeben werden, sagte der Imam Amar al-Saadi.

Die Washington Post berichtete gestern unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, das plötzliche Fehlen der Führungsspitze vom Vortag deute auf einen geplanten Rückzug Saddam Husseins hin. „Plötzlich fand keine Kommunikation mehr statt, und das Regime erschien nicht zur Arbeit.“ B.S.