Veraltete Reiseführer für 2012

Schwerer Verlust für kulturellen Rahmen der Hamburger Olympia-Bewerbung: Das Mojo auf der Reeperbahn schließt

In Hamburg sagt man Tschüss: Der Mojo Club, ein Wahrzeichen Hamburger Unterhaltungskultur und mithin eigentlich unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Rahmenprogramms zur Hamburger Olympia-Bewerbung, wird morgen früh endgültig geschlossen. Seit Wochen schon rumorte es von Pistengänger zu Pistengänger: Sonntag ist Schluss, dann ist zumindest der Mojo Club Geschichte und das unförmige Ding an der Reeperbahn 1 wieder das, was es ist: ein Monument geballter Hässlichkeit.

Das John Coltrane-Motto „A Love Supreme“ soll zieren, was dem endgültigen Finale als zähes, jahrelanges Tauziehen zwischen Stadt, Investoren und den Clubmachern vorausgegangen war. Oft war das Aus verkündet, wieder dementiert und auf unbestimmt verschoben worden. Klar war einzig, dass die Zukunft woanders und mit anderen Leuten stattfinden würde, zu sehr war der Mojo samt Crew der Betonhülse des liegen gelassenen und von der Abrissbirne vergessenen Bowlingenters verbunden.

Zeit für ein bisschen Wehmut: Für uns Hamburger ist der Mojo bloß der Klassiker schlechthin gewesen, das CCH unter den Hamburger Tanzläden. Dabei war der Club mit der Corporate Identity aus Firmen-Zeichen, eigenen CDs, Shops und Tourneen vor allem bei Auswärtigen berühmt und angesehen. Er stand sogar im Reiseführer, ist längst Thema zahlreicher Uni-Referate und wurde sogar von der Kulturbehörde empfohlen: Viel Ehre für zwei Jazz-Fans.

Für das Betreiber-Gespann Oliver Korthals und Leif Nüske standen Ende der Achtziger die Zeichen auf HipHop, Jazz und Soul aus den Sechzigern und Siebzigern. Viel haben die beiden in ihren letzten Wochen auf dem Kiez über die damalige Zeit reden müssen. Über den Beginn einer neuen Clubculture, über Jazz zum Anfassen, Holzketten und die spezielle Affinität zum London der frühen Neunziger mit diesen wahnwitzigen Tänzern, die seinerzeit auf allen AcidJazz- und JazzHop-Compilations abgebildet waren.

Und dann waren da noch diese Konzerte, Spektakel und Lesungen. Soccer-Nerd Nick Hornby gab den Pop-Ball weiter an Medienproduzent Friedrich Küppersbusch, der sich dem Schmerz-Event eines Jim Rose gegenüber sah. Dazu live on stage jede denkbare Form von Soul, Elektronika und Dance: vom ScherzHop der Fanta Vier über die Native-HipHopper De La Soul bis zu Soul-Saurier Bobby Bird. Von den Brasil-Größen Joyce und Marcos Valle über das Luxus-Ensemble Pizzicato 5 zu allen relevanten DJ-Größen wie Goldie oder Kemistry & Storm: Mojo, das war Kontinuität, aber auch ein gediegener Style-Gradmesser und Dia-durchfluteter Wohnraum für eine ganze Dekade.

„Schlicht“ soll die Abschiedsfeier nach Bekunden der Betreiber ausfallen. Wir würden dem noch ein „hoffnungslos überfüllt“ hinzufügen und darauf verweisen, dass die angeschlossene Erholungsbar Mandarin geöffnet bleibt, dass Nüske und Korthals als DJs und Produzenten weitermachen und dass das Mojo-Inventar ab dem 15. April über e-Bay ersteigert werden kann. Oliver Rohlf