Showdown am Kalkberg

Die SPD Schleswig-Holstein ist auf dem Tiefpunkt angekommen. Auf dem Parteitag am Wochenende in Bad Segeberg geht es um das politische Schicksal von Ministerpräsidentin Heide Simonis – und von Hamburgs Parteichef Olaf Scholz

von SVEN-MICHAEL VEIT

Es werde „keinen Jubelparteitag“ geben, sondern einen der „offenen und kritischen Diskussion“, hatte Franz Thönnes behauptet. Der Landesvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein und Bundestagsabgeordnete dürfte Recht behalten. Auf dem Parteitag heute und morgen in Bad Segeberg werden die nach 15 Regierungsjahren auf dem politischen Tiefpunkt angekommenen Sozialdemokraten sich aller Voraussicht nach mächtig streiten. Beim Showdown unterm Kalkberg dürfte Ministerpräsidentin Heide Simonis nicht ungeschoren davonkommen, auch Hamburgs Parteichef und Bundes-Generalsekretär Olaf Scholz drohen Schrammen. Ob Thönnes politisch überlebt, ist fraglich.

Die 59-jährige Simonis will sich am Sonntag erneut zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2005 nominieren lassen. Eine Alternative zu der lange Unumstrittenen, die nächsten Monat ihr zehnjähriges Dienstjubiläum an der Kieler Förde feiert, hat die Partei zwar nicht. Doch der Unmut an der Basis über ihr wenig glanzvolles Regieren ist seit langem groß, nach der Niederlage der SPD bei den Kommunalwahlen am 2. Februar wird es sogar offen geäußert.

Die Filz-Affäre um den Expo-Beauftragten Karl Pröhl sorgt seit Jahren für negative Schlagzeilen, und während das Land am Rande des Konkurses steht, haben sich die Landtagsabgeordneten vorige Woche auf wesentliches Betreiben der SPD auch noch mächtig die eigenen Diäten erhöht. Obwohl Simonis dieses Gesetz gestern aller Kritik zum Trotz unterzeichnete, dürfte sie in Bad Segeberg nicht mehr als einen Denkzettel verpasst bekommen.

Schlechter steht es da um Parteichef Thönnes, auf den sich die Kritik konzentriert. Er vor allem sei daran Schuld, dass die SPD im Norden „eine langweilige und politikfreie Pflichtveranstaltung von Funktionsträgern und solchen, die es mit Macht werden wollen“, verkommen sei, kritisierten mehrere Kreischefs.

Geradezu hektisch wurde in den vergangenen zwei Monaten nach einem Gegenkandidaten für den 48-Jährigen gesucht, doch ließ sich niemand auf den Schild heben. Der personelle Neuanfang dürfte sich um zwei Jahre verzögern. Denn insgeheim glaubt kaum noch jemand daran, die nächste Wahl zu gewinnen, und deshalb wird wohl Thönnes dann die Suppe auslöffeln müssen. Eine knappe Mehrheit der 160 Delegierten wird ihn vermutlich wiederwählen, weil man 2005 einen Schuldigen braucht.

Wie wenig der Chef noch zu sagen hat, zeigte sich dieser Tage. Hinter dem Rücken von Thönnes beschlossen die Kreisvorsitzenden der Partei, nach dem Vorbild der Hamburger Sozialdemokraten einen Sonderparteitag auf Bundesebene zur Sozial- und Gesundheitspolitik von Kanzler Gerhard Schröder zu fordern. Thönnes hatte dies, ebenso wie Scholz in der Hansestadt, kurz zuvor noch abgelehnt. Inzwischen hat er sich darauf eingestellt, auf verlorenem Posten zu stehen. Ein entsprechender Antrag wird höchstwahrscheinlich nicht nur gestellt werden, sondern auch eine Mehrheit finden.

Ähnlich erging es vorige Woche seinem Leidensgenossen Scholz. Gegen dessen ausdrücklichen Willen forderte die Hamburger SPD ebenfalls einen solchen Sonderparteitag – in dem Bewusstsein, damit den eigenen Vorsitzenden zu schwächen, der in seinem Hauptberuf als des Kanzlers General den Kurs der Bundesregierung wortreich und unbeirrt zu verteidigen pflegt.

Scholz hatte von seinen Genossen verlangt, die Wahlniederlage in Hamburg in kritischen und selbstkritischen Debatten aufzuarbeiten. Thönnes hingegen droht dies schon vor dem Gang zur Urne.