Bitte nicht knutschen

Die CDU bittet hinter die Kulissen: Peter Radunski, Senator a.D. und Wahlkampfberater, analysiert die Bremer Situation in erfreulicher, weil ungewöhnlicher Offenheit. Er ist sicher: „Kein Wechselklima“

taz ■ Ein „Hintergrundgespräch“ sollte es sein – ein Gespräch, bei dem die Journalisten hinter die Kulissen der Macht gucken dürfen, dafür aber nur das schreiben, was ausdrücklich als salonfähig gekennzeichnet wird. Er werde es deshalb sagen, „wenn es geboten ist, bei einer Frage eine etwas vertiefende, ich sag mal: ehrliche Antwort zu geben.“ Die dann so nicht zitiert werden dürfte. Vorweg: Der Fall trat nicht ein. Aber die Antworten klangen doch ehrlich, die gestern Peter Radunski, Berliner Senator a. D. und derzeit Wahlkampfberater der Bremer CDU, gab. Denn der 64-Jährige bringt etwas mit, das den hiesigen Konservativen mit Ausnahmen abgeht: Lockerheit. Ein bisschen Berliner Schnauze, deren Reste noch deutlich hörbar sind.

Peter Radunski, Lehrbeauftragter an diversen Universitäten in Sachen Wahlkampf- und Parteienmanagement und Wahlkampforganisator seit über 30 Jahren, erzählte vom Bremer Wahlkampf. Der hat zwei Grundlagen. Zum einen die Ergebnisse einer Umfrage von Ipos, dem kommerziellen Arm der Forschungsgruppe Wahlen. Zum anderen Erkenntnisse eines Verfahrens namens „Focus Groups“, bei denen repräsentativ ausgewählte Hinze und Kunze sich unter einem Moderator unterhalten. „Da kriegen Sie qualitativ eine ungeheure Menge mit“, schwärmte gestern Radunski, „das ist natürlich nicht repräsentativ.“

Aus all dem folgt: Der Bundestrend ist nicht der Bremer Trend. „Wir sind fest überzeugt, dass wir hier keine Denkzettelwahl haben werden. Da ist Scherf vor.“ Das Ansehen der Großen Koalition sei hoch. Die CDU werde gut bewertet, insbesondere Finanzsenator Hartmut Perschau. Das Stimmungstief werde dennoch nicht ganz folgenlos für Bremen bleiben. Und, so Radunski und klang dabei verblüfft: „Die Stimmung in Bremen ist bremisch.“ Es sei „ruhiger, man scheint der Polarisierung nicht aufgeschlossen, es gibt kein Wechselklima.“ Radunski nennt das „konstruktive Harmonie.“

Kein Wechselklima. Das heißt: „Wir werden eine direkte Polarisierung mit der SPD vermeiden.“ Man werde aber auch nicht den Fehler vieler Juniorpartner machen, nämlich nur um der Abgrenzung willen das gemeinsam Erreichte schlecht zu reden. „Die CDU ist die einzige Partei, die für die Große Koalition eintritt“, das sei ihr „Alleinstellungsmerkmal“. Überdies, verweist Radunski auf die vielen Frauen unter den Bürgerschaftskandidaten und den hohen Anteil jüngerer Bewerber bis 40, „haben wir die Partei soweit hinbekommen, dass sie bereit ist zu dem einen oder anderen modernen Auftreten.“

Bei aller Power und aller Vorstellkraft, „dass wir stärkste Partei werden“ – Henning Scherf ist „umwerfend“, so Radunski. „Es hat keinen Sinn, in dieser Hinsicht zu konkurrieren.“ Aber, setzt der Stratege nach, „eine Ergänzung ist ja auch interessant.“ Die ist Hartmut Perschau, sein Image laut CDU-Erkenntnissen: „effizient und tüchtig.“ Auch Perschau werde „ein paar ungewöhnliche Aktionen“ hinlegen, versprach Radunski, nur eins werde der Finanzpolitiker nicht von sich behaupten können: „Ich knutsche besser.“

Das Ziel der CDU: „35 plus x.“ So lange die SPD ohne Koalitionsaussage weitereiert, macht die CDU-Werbetrommel für den Weiter-so-Kurs Sinn. Wenn Scherf nun aber in den letzten Tagen des Wahlkampfes sich doch offen für die Fortsetzung der Koalition ausspricht, vereinnahmt er Sympathien, die die CDU wollte. Peter Radunski bleibt gelassen: „Bis dahin haben wir unsere Leute mobilisiert und unser Ergebnis sicher.“Susanne Gieffers