Besser als Buletten-Drehen

Sie hat es geschafft: Nach Jahren der Abhängigkeit von der Sozialhilfe hat Roswitha Benesch einen Job im ersten Arbeitsmarkt – unbefristet. Das Förderwerk, das sie auf den Weg gebracht hat, muss künftig mit viel weniger Maßnahmen hinkommen

taz ■ Roswitha Benesch möchte sich nicht fotografieren lassen. Aber sie spricht, und das ist ihr Sensation genug. Roswitha Benesch hat einen Sprachfehler, wer nicht will, versteht sie kaum. „Früher bin ich untern Tisch gekrochen deshalb“, erzählt die 47-Jährige. Einen Job hat die Alleinerziehende auch nicht gefunden – deshalb, sagt sie. Jetzt hat sie einen. Seit Anfang März arbeitet sie in einem Altenheim in Brinkum, die Stelle ist unbefristet. Zu verdanken habe sie das dem Förderwerk, sagt Frau Benesch. Fünf Jahre hat sie in Beschäftigungs- und Schulungsmaßnahmen des Trägers verbracht.

„Ich habe wirklich gezögert, Frau Benesch zu präsentieren, weil eine Verweildauer von fünf Jahren die absolute Ausnahme ist“, sagt Claus Wittgrefe, Geschäftsführer des Förderwerks. Aber Frau Beneschs Geschichte ist zu schön, um sie unerzählt zu lassen. Ihre Moral: Integration ist möglich, auch Menschen mit Handicaps können im ersten Arbeitsmarkt landen – wenn ihnen dabei geholfen wird.

Vor fünf Jahren also schickte das Sozialamt die Mutter und Hausfrau zum Förderwerk. Sie begann bei der Nachbarschaftshilfe in Huchting, half alten Menschen beim Putzen, Kochen, Einkaufen, begleitete sie zum Arzt oder aufs Amt. Sie lernte Erste Hilfe, besuchte Seminare zum Umgang mit dem Sterben, machte ihren Hauptschulabschluss und ihren Abschluss als Schwesternhelferin.

Roswitha Benesch ist geschieden. Vor fünf Jahren hatte sie einen Haufen Schulden – das meiste davon hat sie getilgt, im Herbst ist sie schuldenfrei. Eines ihrer Praktika, die Bestandteil der Förderwerk-Maßnahmen sind, führte sie in das Altenheim in Brinkum. Frau Benesch ist der personifizierte „Klebe-Effekt“: sie ist dort „kleben“ geblieben.

Die Beschäftigungsmaßnahmen, durch die Roswitha Benesch ihre Qualifikationen und schlussendlich ihren Arbeitsplatz bekommen hat, waren eine BSHG 19- und eine Strukturanpassungsmaßnahme (SAM). Das Förderwerk organisiert rund 300 solcher Stellen, 200 in Bremen, den Rest in Bremerhaven. Die beim Förderwerk Beschäftigten arbeiten wie Roswitha Benesch in der Nachbarschaftshilfe, im so genannten Concierge-Bereich als Pförtner in sonst sehr anonymen Hochhäusern, im Baubereich oder im Quartierservice. Sie alle werden betreut von rund 70 Regiekräften, die als Anleiter, Sozialpädagogen oder in der Verwaltung die Maßnahmen lenken. Ein Jahr sind die Menschen in der Regel beim Förderwerk. „In der Regel“, betont Geschäftsführer Wittgrefe – denn die ändert sich bereits. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollen künftig nur noch sechs Monate dauern – das gilt bereits für fast alle 50 Stellen, die beim Förderwerk am 1. Mai beginnen. Wie in dieser kurzen Zeit noch Qualifizierung stattfinden soll, weiß Wittgrefe noch nicht. Außerdem stehe das Förderwerk in seinem Angebot auch für Qualität – wie er die weiterhin gewährleisten soll, wenn die Menschen künftig kommen und gehen, weiß er nicht.

40 Stellen werden in Bremen komplett wegfallen. In Bremerhaven sollte sich eigentlich nichts verändern, aber nun hat die dortige Kreishandwerkerschaft ihr Veto eingelegt. Sie muss eine so genannte „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ ausstellen, dass die Förderwerkler dem heimischen Handwerk keine Jobs streitig macht. Angesichts der miesen Wirtschaftslage und der Wichtigkeit auch kleinster Jobs täten sie das aber derzeit, finden die Kreishandwerker und blockieren 25 Maßnahmen.

Auch wenn nun ein Fünftel seiner Maßnahmen wegzubrechen droht – Claus Wittgrefe scheint gelassen. Noch. „Uns geht es vor allem um Nachhaltigkeit“, sagt er. So vermittle er beispielsweise lieber in Umschulungen zur Altenpflegehilfe als in „irgendwelche Buletten-Dreh-Jobs.“ Das Problem: Zwar ist ein langfristiges Unterkommen im ersten Arbeitsmarkt als Altenpflegehelfer wahrscheinlich und damit nachhaltiger als das schlichte Vermitteln in irgendeinen Job, aber: „Das wird nicht als Vermittlung gewertet, weil nur diejenige in den ersten Arbeitsmarkt zählt.“ Was wiederum auf die Quote drückt. 20 bis 25 Prozent ihrer Klienten sollen Beschäftigungsträger wie das Förderwerk in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. „Wir liegen nicht ganz vorne, das gestehe ich gerne ein“, so Wittgrefe.

Das Förderwerk erwirtschaftet rund zwei Millionen Euro eigene Einnahmen pro Jahr. Hinzu kommen nochmal 5.000 Euro „Regiekosten“ pro Beschäftigungsmaßnahme und Jahr. Angesichts der Eigeneinnahmen müssen die Förderwerk-Anleiter derzeit nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten. „Wir bewerten das, was jetzt passiert, als Übergang“, sagt der Geschäftsführer, „das ist jetzt nicht die Situation, in der wir zusammenpacken.“

Vielleicht wäre Roswitha Benesch auch Buletten-Umdreherin geworden, wer weiß. Aber der Job im Heim in Brinkum ist solider, ohne Frage. „Alles“ bedeute ihr die Arbeit, „ich bin freier geworden. Ich habe keine Angst mehr vor den Leuten, ich habe viel gelernt. Man kann es nicht beschreiben“, sagt Roswitha Benesch und sucht nach Worten, „Es ist eben alles.“Susanne Gieffers