Geiz ist überhaupt nicht geil

Im Jahr 2005 laufen die Berliner Hochschulverträge aus. Bei den bevorstehenden Neuverhandlungen drohen den Hochschulen einschneidende Kürzungen: 200 Millionen Euro, 20 Prozent des bisherigen Budgets, will Finanzsenator Sarrazin einsparen

von JEANNETTE GODDAR

Es war nicht die erste Diskussion dieser Art und sicher auch nicht die letzte. Anfang April wurde im Preußischen Landtag über die Zukunft Berlins als Hauptstadt der Republik diskutiert. Nobelpreisträger Imre Kertész war gekommen, Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter und der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Und der Kunstsammler Friedrich Christian Flick, der sagte: „Eine Hauptstadt wird zur Hauptstadt nicht durch die Hauptstädter, sondern durch ihre Köpfe.“

Mit der Ausbildung akademischer Köpfe für die Zukunft tut sich die Hauptstadt rein quantitativ allerdings schwer. Aus einst 120.000 Plätzen sind inzwischen 85.000 geworden. Das entspricht exakt der Zahl von Schülern, die jedes Jahr in Berlin die Hochschulreife erlangen. Auf diesen 85.000 Plätzen wiederum tummeln sich aber immer noch über 120.000 Studierende.

Doch selbst diese Zahl ist in Gefahr: Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht bei den vier Universitäten und fünf staatlichen Hochschulen ein Sparpotenzial von 200 Millionen oder zwanzig Prozent des Etats. Unmöglich, kontern die Präsidenten der Unis und warnen vor dem Verlust von weiteren 15.000 Studienplätzen. Die politische Entscheidung steht noch aus – aber viel spricht dafür, dass die Unis sich beugen müssen. Wenn die geltenden Hochschulverträge Ende 2005 auslaufen, werden die Unis bei den Neuverhandlungen vermutlich die Einsparungen akzeptieren müssen.

Der Finanzsenator beruft sich vor allem auf die im Vergleich mit anderen Bundesländern höheren Kosten. So koste ein Berliner Studienplatz mit 7.500 Euro jährlich fast tausend Euro mehr als in Hamburg oder Bremen. Außerdem würden überdurchschnittlich viele Studenten wenig zukunftsträchtige (Geistes-) Wissenschaften belegen; unterdurchschnittlich wenige seien an kostengünstigeren Fachhochschulen eingeschrieben. Und: Doppel- und Dreifachangebote sollten abgebaut und die Kooperation verbessert werden.

Die Leitungsgremien der Hochschulen stimmen dem bestenfalls in kleinen Teilen zu. Zwar zeichnet sich ab, dass sich die Bereitschaft zur Zusammenlegung einzelner Teile der Verwaltung erhöht; an dem Studienangebot will man aber festhalten. Berlin habe die größte Technische Universität der Republik – und technische wie auch medizinische Studienplätze seien nun einmal teurer, argumentieren die Präsidenten. Auch ein vernünftiges Niveau in den Geisteswissenschaften sei in einer globalisierten Welt unabdingbar; ferner könne man niemanden zwingen, an eine Fachhochschule zu gehen.

Außerdem, heißt es, sei man auch an Universitäten mit dem Ausbau der kürzeren – und günstigeren – Bachelor-Studiengänge beschäftigt. Die Übergangszeit, in der neue neben alten Studiengängen existieren müssten, sei aber besonders teuer. Und, zurück zur Hauptstadt: Wer Vergleiche mit Bremen und Hamburg anstelle, übersehe, dass Berlin über den regionalen Bedarf hinaus ausbilden müsse. Außerdem habe Berlin zwar den höchsten, Brandenburg aber den niedrigsten Anteil von Studenten an der Bevölkerung. Ein gemeinsames Land läge irgendwo im Mittelfeld.

Guckt man auf die jüngste Vergangenheit, haben die Universitäten das Argument auf ihrer Seite, dass sie schon auf viel verzichtet haben. Seit 1993 wurden 500 Millionen Euro eingespart. TU und FU haben jede zweite, die Humboldt-Uni jede vierte Professur verloren. Kümmerte sich ein statistischer Professor vor fünf Jahren noch um 54 Studierende, betreut er heute 93. Auch der Bestand wissenschaftlicher Kräfte hat sich in der Zwischenzeit nicht erhöht. Zurzeit können aufgrund der Etatprobleme nur knapp 80 Prozent der frei werdenden Stellen im Mittelbau besetzt werden.

Seit das Land aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten ist und die Universitäten und Fachhochschulen nötigte mitzuziehen, tobt zwischen Unis und Senat zusätzlich ein tarifpolitischer Streit. Im Rahmen der Verhandlungen über den Nachtragshaushalt für 2003 kündigte Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) den Hochschulen an, ihnen elf Millionen Euro, die für Tarifsteigerungen vorgesehen waren, wieder zu streichen. Die Hochschulen, die sich mit einer Nullrunde nicht abfinden wollen, wittern Vertragsbruch und drohen nun, den Senat zu verklagen. Nicht zuletzt nämlich sind Unis und Hochschulen außer Ausbildungsstätten auch Arbeitgeber – mit über 20.000 Beschäftigten.