Samstags shoppen bis zur Tagesschau

Bundesrat: Geschäfte dürfen samstags bis 20 Uhr öffnen. Steuerpaket wird Eichel nur 4,4 Milliarden Euro bringen

BERLIN taz ■ Tagesordnungen des Bundesrates verleiten gemeinhin nicht zu dramatischen Beschreibungen. Der gestrige Freitag jedoch war ein „Tag der Entscheidungen“. Im Stundentakt hakte das Gremium eine Reihe von Gesetzen ab, über die Regierung und Opposition monatelang erbittert gestritten hatten.

Am Morgen standen die neuen Ladenöffnungszeiten auf dem Programm. Das Votum bestätigte die Bundestagsentscheidung: Verbraucher können ab Juni auch samstags bis 20 Uhr einkaufen. Die Neuregelung stand bis zum Schluss auf der Kippe, weil Unionsländer lieber auf Länder- statt auf Bundesebene darüber beschließen wollten. Eine langwierige Vermittlung ist nun nicht nötig. Das freut vor allem die Händler in Gestalt von Heribert Jöris, Geschäftsführer beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE): „Endlich haben Unternehmen die Klarheit, die sie brauchen“, so Jöris zur taz. Allerdings erwarte man nicht „euphorisch“ viele Neueinstellungen durch die vier Zusatzstunden am Samstag. „Die Hälfte der Mitarbeiter im Einzelhandel hat Teilzeitverträge. Wenn diese aufgestockt werden, kann man viel ausgleichen.“

Die Türen samstags länger aufzulassen rechnet sich vor allem für die Geschäfte, in denen Erlebniskäufer flanieren. Ein Beispiel: der Möbelriese IKEA. Die deutsche Niederlassung denkt dem Vernehmen nach über 1.500 neue Jobs nach. Die Zahl will eine Sprecherin nicht bestätigen. Klar sei aber, „dass wir bei längeren Öffnungszeiten mehr Leute brauchen“. Dies ist jedoch ein Einzelfall. Viele Geschäfte werden einfach Öffnungszeiten verlegen: etwa montagsvormittags schließen, dafür samstags ganz öffnen. Die Gewerkschaft Ver.di warnt vor Jobverlusten. Längere Öffnungszeiten gehen auf Kosten der Kleinen und Mittelständler, Arbeitsplätze gehen verloren, so das Ver.di-Urteil. Vorstandsmitglied Franziska Wiethold, die schon lange gegen die rot-grüne „Zumutung“ wettert, hält es für „katastrophal, dass ausgeweitete Ladenschlusszeiten mit dem Gesetz zu den Minijobs zusammenfallen“. Viele Unternehmen planten bereits, Beschäftigungsverhältnisse in Minijobs umzuweiten, so Wiethold zur taz. „Im Einzelhandel arbeiten bereits 600.000 geringfügig Beschäftigte. Wir erwarten hier einen kräftigen Anstieg.“

Die zweite wichtige Bundesratsentscheidung neben der Ladenöffnung war das abgespeckte Steuerpaket. Bundestag und -rat stimmten gestern dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses zu, den der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) mit Peer Steinbrück (SPD), Landeschef in Nordrhein-Westfalen, ausgehandelt hatte. Der größte Teil der Steuerpläne von Finanzminister Hans Eichel ist damit vom Tisch, etwa die Kürzung der Eigenheimzulage oder eine Dienstwagensteuer. Im Haushalt klafft eine riesige Lücke – völlig unklar ist, wie sie geschlossen werden soll. Eichel hat mit rund 16 Milliarden Euro Mehreinnahmen gerechnet, der gestern beschlossene „Minimalkonsens“ (Wilhelm Schmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion) bringt in der Endstufe gerade mal 4,4 Milliarden Euro jährlich. Die Parlamentarier und die Länderkammer haben auch das zweite Gesundheits-Spargesetz passieren lassen. Der Inhalt: Die Verwaltungskosten der Krankenkassen werden in diesem Jahr auf dem Niveau von 2002 eingefroren. Ein Drittel der bundesweit 2.200 Kliniken müssen sich auf eine Nullrunde einstellen. Die ebenfalls anstehende Lkw-Maut hat der Bundesrat an den Vermittlungsausschuss weitergeleitet. Die Maut soll ab 31. August elektronisch erhoben werden. ULRICH SCHULTE