Ein Land versinkt im Chaos

Ölstadt Mossul im Nordirak kampflos übergeben. Tausende Soldaten fliehen Richtung Süden. Öffentliche Ordnung völlig zusammengebrochen. Plünderungen in Kirkuk, Mossul und Bagdad. Dreiergipfel in St. Petersburg betont Rolle der UNO

BAGDAD/MOSSUL dpa/afp/taz ■ Zu Beginn der dritten Kriegswoche hat das irakische Regime auch die Kontrolle über die drittgrößte Stadt des Landes, Mossul, verloren. In der Nacht marschierten kurdische und US-Truppen in die nordirakische Stadt ein. Das gesamte 5. Korps des irakischen Heers in Mossul habe sich ergeben, teilte das US-Oberkommando in Katar mit. Der US-Sender CNN berichtete, tausende irakische Soldaten hätten Zivilkleidung angelegt und sich unbewaffnet zu Fuß auf den Weg in den Süden Richtung Bagdad gemacht. Damit ist jetzt nur noch die Heimatstadt von Diktator Saddam Hussein, Tikrit, unter irakischer Kontrolle.

Nach Augenzeugenberichten haben sich die irakischen Streitkräfte bereits in der Nacht kampflos aus Mossul zurückgezogen. Anschließend sei es zu Plünderungen gekommen. Der arabische Sender al-Dschasira zeigte Bilder von Menschen, die Möbel, Computer und sogar Busse vom Gelände der Universität stahlen. Auch Verwaltungsgebäude und Krankenhäuser würden geplündert. Der kurdische Gouverneur der Stadt Kirkuk, die am Vortag erobert worden war, teilte mit, dass auch dort die Sicherheitslage außer Kontrolle geraten sei. Mehrere Menschen seien getötet worden. Die Einwohner würden alte Rechnungen begleichen. Auch habe es die ganze Nacht über Plünderungen gegeben. Kurdische Kämpfer kündigten an, die Stadt noch gestern wieder verlassen zu wollen und sie der Kontrolle der US-Truppen zu übergeben.

Auch in Bagdad gingen die Plünderungen der vergangenen zwei Tage weiter. Ladenbesitzer schossen auf Plünderer und wehrten sich mit Gewehren, Pistolen und Eisenstangen gegen Gruppen von Menschen, die ihre Läden leer räumen wollten. Dutzende Menschen wurden mit Schussverletzungen ins Al-Kindi-Krankenhaus gebracht. Die Klinik war am Vortag geplündert worden. Auch alle Patienten waren geflohen. Das Rote Kreuz, das zum ersten Mal seit Tagen wieder die Klinik besuchte, sprach von „chaotischen und katastrophalen“ Zuständen.

Der Wiederaufbau des Irak war gestern das beherrschende Thema des Dreiergipfels zwischen Russland, Deutschland und Frankreich in St. Petersburg. Nach einem ersten Gespräch mit Bundeskanzler Schröder erklärte der russische Präsident Putin, beide seien der Meinung, dass die UNO eine zentrale Rolle bei der Neuordnung Iraks spielen müsse. Russland und Deutschland müssten alles tun, damit die Stabilität des Völkerrechtssystems erhalten bleibe, das auf der überragenden Rolle der UNO beruhe. Am Abend wollten Putin und Schröder mit Präsident Chirac zusammentreffen. GB