Weiße Pracht im Braunkohlerevier

Während in Berlin hochfliegende Pläne für zwei gigantische Skihallen geschmiedet werden, wird im brandenburgischen Senftenberg bereits seit mehr als drei Wochen gewedelt. Mit „Snowtropoli“ wollen die Betreiber ein Zeichen setzen

von ANDREAS RÜTTENAUER

Viele Liebhaber des alpinen Skisports zieht es noch einmal in Richtung Alpen auf die hohen Berge, wenn in den Tälern die Zeit der Krokusse schon fast vorbei und die der Osterglocken gerade angebrochen ist. Zu erkennen sind diese Ostersportler an ihrer speziellen Hautfärbung. Während das Gesicht meist gut gebräunt ist, ist die Haut am Rest des Körpers recht käsig. Wer auf den gebräunten Schädel keinen Wert legt, wenig Zeit für große Reisen hat und dennoch nicht auf das Skifahren verzichten möchte, der kann in der Halle fahren. Davon werden immer mehr auf die grüne Wiese gestellt. Eine davon, die neueste in Deutschland, steht im brandenburgischen Senftenberg.

Die Gemeinde Senftenberg ist das ehemalige Zentrum des Braunkohleabbaus in der DDR, eine Stadt, die immer noch vom Tagebau lebt, in der die Arbeitslosenrate bei gut 20 Prozent liegt, mithin ein Ort, der ganz am Rande der Spaßgesellschaft angesiedelt zu sein scheint. Ausgerechnet hier befindet sich nun „Snowtropoli“. Die 130 Meter lange Piste, die vom schicken Gastrobereich der Halle eingesehen werden kann, wirkt ein wenig absurd, wenn man aus der faden Senftenberger Innenstadt durch die einförmigen und wenig belebt erscheinenden Bergarbeitersiedlungen nach Snowtropolis vorgedrungen ist.

Auf die Idee, den Lausitzern Indoorskiing zu bescheren, sind vier findige Sachsen aus dem benachbarten Hoyerswerda gekommen, die nichts anfangen können mit der ewigen Miesmacherei im tristen Osten. Mit viel Risiko haben sie sich vor vier Jahren die ersten Gedanken über eine Skihalle in Senftenberg gemacht. Bauunternehmer Oertel kümmerte sich um die architektonische Hülle, Egbert Petrick brachte seine Erfahrungen, die er als Ingenieur in der Lausitzer Energiebranche gesammelt hatte, ein, Werbedesigner Nico Petrick und sein Bruder Robin kümmern sich um die Vermarktung der Halle, die Öffentlichkeitsarbeit und den laufenden Betrieb.

25 Millionen Euro hat die Anlage gekostet, die vor gut drei Wochen eröffnet wurde. Kommen 200.000 Besucher im Jahr, lohnt sich das Unterfangen. Robin Petrick schwärmt von seinem mittelständischen Musterbetrieb, bei dem „kein Fonds hinten dranhängt, in den irgend ein armer Schlucker sein Erspartes steckt und der den Schlucker und das Projekt im Stich lässt“. 20 Arbeitsplätze hängen bereits an der Skihalle, in ein paar Jahren sollen es 70 sein. Natürlich ist Robin Petrichk überzeugt vom Erfolg. „Es gibt so viele Skifahrer und Snowboarder in der Region, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Fast jeden Tag gebe es Anfragen von Skiclubs, die Trainingszeiten buchen wollen. „Es ist schon jetzt immer etwas los bei uns. Und die ganz große Werbung haben wir noch gar nicht gemacht.“ An einem Freitagnachmittag tummeln sich etwa 35 Wintersportler auf der Piste. Viele davon sind Jugendliche aus dem Ort.

Die jungen Snowboarder zahlen sechs Euro Eintritt in der Stunde und versuchen sich an den eingebauten Hindernissen. Der junge Mann auf Skiern, der sich im Pflugbogen den Hang hinunterquält, hat acht Euro für die Stunde gezahlt. „Das ist absolut fair“, meint Robin Petrick. Der Strahlemann glaubt auch nicht, dass ihm die Pläne zweier Projektentwicklungsgesellschaften, die in Berlin Indoor-Winterarenen errichten wollen, so schnell das Hauptstadtpublikum wegnehmen können: „Die müssen erst mal bauen, uns gibt es schon.“ Die Pläne der Bottroper Ecosoil GmbH, auf dem Gelände des stillgelegten Gaswerks Mariendorf einen 111 Meter hohen Ski-Dom, mit Pisten, Bob- und Rodelbahn zu bauen, wirken so übertrieben, dass eine Realisierung unrealistisch scheint.

Wesentlich konkreter hingegen ist das Vorhaben der Projektgruppe „Fechner und Herden“, auf dem Areal einer Laubenpieperkolonie an der Neuköllner Kiefholzstraße eine 350 Meter lange Hallenpiste zu errichten. Dagegen wehren sich die Laubenpieper. Noch ist der Kaufvertrag für das Gelände nicht unterzeichnet, eine erste Kündigungsfrist für die Kleingartenparzellen verstrichen, so dass deren Besitzer sich noch mindestens bis 2004 um ihre Krokusse und Osterglocken kümmern dürfen. Frühjahrsskifahren in der Region ist also bis auf weiteres nur in Senftenberg möglich.