Murren in der Tupper-Fraktion

Rolle rückwärts im Geschlechterkampf: Niedersachsens Frauenbeauftragten protestieren heute gegen die Aufweichung einer der modernsten Gender-Regelungen der Republik. Sie wollen abgesichert und stark bleiben

Hannover ■ taz Nina Hagen, Lisa Fitz und sogar Hannovers OB Herbert Schmalstieg (SPD) haben schon unterschrieben. 30.000 Protestpostkarten wollen Niedersachsens Frauenbeauftragte heute um fünf vor zwölf Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) überreichen, damit eine der modernsten Gender-Regelungen in Deutschland nicht gelockert wird. Ein „Trend“ habe eingesetzt, sagt Ute von Wrangell, die Leiterin der Vernetzungsstelle für die Frauenbeauftragten in Deutschland. Seitdem in Köln 1982 die erste Stelle ihrer Art eingerichtet wurde, gibt es heute in allen Ländern außer in Baden Württemberg Vorschriften, die den Kommunen vorschreiben, hauptamtliche Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte einzusetzen. In Nordrhein Westfalen und in Schleswig-Holstein müssen alle Kommunen ab 10.000 Einwohnern Beauftragte bestellen, in Niedersachsen in Städten ab 20.000 Einwohnern. Bislang. Nach Brandenburg, wo im vergangenen Jahr die Grenze auf 30.000 Einwohner angehoben und damit auf einen Schlag 90 Beauftragte zur Disposition gestellt wurden, plant jetzt auch die CDU/FDP-Landesregierung eine Aufweichung der Vorschriften in der Gemeindeordnung.

Als erste Niederlage von Frauenministerin Ursula von der Leyen (CDU) verbuchten einige den vergangene Woche ausgehandelten „Kompromiss“, nach dem künftig in Niedersachsen nur noch 55 Kommunen eine hauptamtliche Frauenbeauftragte einstellen müssen, 82 weniger als bisher. Da murrten die als „Tupper“-Fraktion belächelte Frauen-Union der CDU – wie die Liberalen Frauen. Dabei hatte sich die FDP gegen von der Leyen durchgesetzt – auf Drängen der Kommunen, deren Verbände die Kosten für die Beauftragten seit langem kritisieren. 449 Frauenbeauftragte im Land kosten im Jahr etwa 40 Millionen Euro.

„Dieses frauenpolitische Signal ist völlig unakzeptabel“, meint Almut von Woedtke, Beauftragte im Landkreis Hildesheim. Nach der neuen Regelung wäre Ahlfeld, ein Ort mit 21.000 Einwohnern, in Zukunft nicht mehr zu einer Beauftragten verpflichtet. Gerade in Kommunen, die „frauenpolitisch zurückhaltend sind, wird die neue Regelung dankbar angenommen werden“, fürchtet von Woedkte. In Sarstedt sei gerade eine Hauptamtliche abgewählt worden, weil der Rat sparen wollte. Die Weisungsunabhängigkeit werde durch die neue Regelung, nach der für eine Abwahl nicht mehr eine Zwei-Drittel-, sondern eine einfache Mehrheit reicht, stark eingeschränkt. „Wenn die Mehrheit im Stadtrat findet, die spuckt uns mit ihrem Protest gegen zu wenig Kinderbetreuung in die Suppe, ist sie weg“, sagt von Woedkte. Noch, hoffen die Frauen, die in Zukunft „Gleichstellungsbeauftragte“ heißen sollen, mit ihrem Protest eingreifen zu können. „Ich bin ein positiver Mensch“, sagt von Wrangell von der Vernetzungsstelle. Die gute Arbeit der Beauftragten spreche für sich. In vielen Kommunen habe sich die Beauftragte zum Standortfaktor entwickelt.

Und: „Wer pessimistisch denkt, wird auch abgeschafft“.Kai Schöneberg