Emigranten als Hoffnungsträger

Dass mehr als sieben Millionen Menschen Europa über Bremerhaven verließen, ist für die Stadt ein doppeltes Glück. Seit Jahren wird über einen Touristenmagnet „Auswanderer-Museum“ geredet – jetzt hat auch noch Hamburg aufgeholt

Von Henning Bleyl

Diesen Mittwoch hätte es endlich soweit sein sollen: Die Bremer Wirtschaftsförderausschüsse bewilligen 20 Millionen Euro für ein 2005 zu eröffnendes „Auswandererhaus“ in Bremerhaven, das lebendige Migrationsgeschichte erzählt – über sieben Millionen Menschen hatten sich bis in die 30er Jahre in Bremerhaven Richtung Übersee eingeschifft.

Ein seit anderthalb Jahrzehnten angepeiltes Projekt, das seinerseits Menschenströme anlocken sollte: mit 200.000 zusätzlichen BesucherInnen jährlich rechnet man in der wirtschaftlich gebeutelten Seestadt. Nun aber hat der Bremer Senat Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Planungen angemeldet.

In Bremerhaven gilt das „Auswanderhaus“, neben den wirtschaftlichen Erwartungen, als Kristallisationsort der eigenen Geschichte und Identität. Entsprechend enttäuscht und „ständig vertröstet“ fühlt sich jetzt nicht nur der grüne Oppositionsabgeordnete Peter Lehmann, auch Kulturdezernent Konrad Weiß als Vertreter der regierenden großen Koalition („Ich verfolge dieses Thema seit meinem Amtsantritt vor zwölf Jahren“) sagt mit resignativem Einschlag: „Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Leute vorgeht, die das jetzt zum 37. Mal prüfen wollen.“

Der diesbezüglich wichtigste Kopf ruht auf den Schultern von Reinhard Hoffmann, Chef der Bremer Senatskanzlei. Hoffmann hat das Beschlussverfahren zunächst gestoppt, unter anderem, weil er die Bremerhavener Besucherprognosen für zu optimistisch hält. Hintergrund dieser Skepsis dürften auch die jüngst präsentierten Planungen der Stiftung „Hamburg maritim“ sein. In der historischen Auswandererbaracke auf der Hamburger Veddel soll in zwei Jahren ebenfalls ein Museum zur Erinnerung an rund fünf Millionen AuswandererInnen eröffnet werden.

In diesem April schon, heißt es in Hamburg, werde die Finanzplanung in weitgehend trockenen Tüchern sein, die notwendigen 7,5 Millionen Euro würden zu gleichen Teilen von Stadt und einer Sponsorengruppe aufgebracht. Besucherprognose: 200.000 pro Jahr, darunter ein erheblicher Anteil von Genealogie-Touristen aus den USA.

Es wird kein Zufall sein, dass die Hamburger und Bremerhavener Schätzungen über potentielle BesucherInnen identisch sind – und die werden sich durch zwei Auswanderer-Museum in Norddeutschland nicht schlicht verdoppeln. Insofern kommt die Skepsis der Bremer Landesregierung nicht überraschend – fragt sich nur, welche Konsequenz die richtige ist: Hoffmann möchte die Risikoverteilung zwischen öffentlicher Hand und privatem Betreiber neu überdenken.

Dagegen steht die Überlegung, sich in der zu erwartenden Konkurrenzsituation durch maximale inhaltliche Qualität zu behaupten. Nicht umsonst hatte der Intendant der Bremer Kulturhauptstadtsbewerbung, Martin Heller, Zweifel angemeldet, ob eine langfristige Niveausicherung mit einem im wesentlichen privaten Betreibermodell zu gewährleisten sei. Derzeit will man im Kulturhauptstadtsbüro keinen Kommentar zur Hoffmann’schen Intervention abgeben, verweist aber darauf, dass man für die nächsten Jahre „nur an guten Nachrichten“ interessiert sei.

Bremerhaven-interne Querelen haben dies Interesse nicht eben gefördert. Es gibt Streit um die Konzeption und die richtige Lokalisierung des Auswandererhauses: Soll es an der historischen „Columbuskaje“ entstehen oder am Standort „Alter/Neuer Hafen“, wo nach dem Platzen der „Ocean Park“-Träume dringend ein Touristenmagnet gebraucht wird? Die Debatte führt bis heute zu Verwerfungen, bei denen sich neben anderen die „Arbeitsgemeinschaft Migrationsgeschichte“ und der von der örtlichen Wirtschaft gegründete „Initiativkreis Erlebniswelt Auswanderung“ gegenüber stehen.

Letztendlich hängt aber alles an den Zuschüssen des Landes Bremen. Über die soll nun, so heißt es, im April entschieden werden.