Ein Skorpion mit dicker Strafakte

Staatsanwalt prüft Antrag auf Sicherheitsverwahrung für den Bus-Entführer mit schillernder krimineller Vergangenheit. Vom Komplizen fehlt weiterhin jede Spur

Nach der spektakulären Entführung eines Linienbusses in Berlin muss der Geiselnehmer Dieter W. möglicherweise für den Rest seines Lebens hinter Gitter. Gegen den mehrfach vorbestraften 46-Jährigen wurde am Samstag Haftbefehl erlassen. Die Staatsanwaltschaft prüft nach Angaben der Justiz zudem, ob sie bei der Anklageerhebung wegen der kriminellen Vergangenheit des Täters Sicherheitsverwahrung beantragt. Die Vorwürfe lauten auf räuberische Erpressung, Geiselnahme und Verstoß gegen das Waffengesetz. W. habe zum Teil gestanden. Ihm drohen 5 bis 15 Jahre Haft. Der bei der Stürmung des Busses angeschossene Geiselnehmer liegt derzeit im Krankenhaus.

Dieter W. hatte mit einem Komplizen am Freitagvormittag eine Bankfiliale in Berlin-Steglitz überfallen. Anschließend hatte W. einen Bus der Linie 185 gekapert. Während einer Irrfahrt durch die Stadt hatte er fast alle Geiseln freigelassen. Die beiden Personen in seiner Gewalt, eine 25 Jahre alte Polizistin und ein 52-jähriger Journalist, wurden bei der Erstürmung des Busses durch ein Sondereinsatzkommando befreit. Sie blieben unverletzt. Der Täter erlitt eine Schussverletzung an der Schulter.

Von dem Komplizen fehlte am Wochenende weiter jede Spur. Ein 49-jähriger Mann, der zunächst als mutmaßlicher Gehilfe festgenommen worden war, wurde in der Nacht zum Samstag wieder freigelassen. Der Verdacht gegen ihn habe sich im Verlaufe der Vernehmung nicht erhärtet, sagte ein Polizeisprecher.

Als Konsequenz aus der Geiselnahme ist unter Politikern eine Diskussion um den finalen Rettungsschuss entbrannt. Die CDU forderte am Samstag eine eindeutige Rechtslage. „Unter bestimmten Umständen muss der Tod des Geiselnehmers in Kauf genommen werden können“, sagte der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Frank Henkel. Die SPD hält eine gesetzliche Neuregelung nicht für notwendig. Erst vor wenigen Monaten sei die haftungsrechtliche Grundlage für Beamte in solchen Fällen geregelt worden, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heidemarie Fischer, dem Tagesspiegel.

Unterdessen kommen immer mehr Details aus der kriminellen Karriere des Dieter W. ans Licht. Wegen einer Tätowierung auf dem linken Unterarm ist W. in der kriminellen Szene als „Skorpion“ bekannt. Der gebürtige Westfale verbrachte mehr als 20 Jahre in Heimen und im Gefängnis, allein 13 Jahre saß er in der Justizvollzugsanstalt Tegel. 1991 gelang ihm während eines Hafturlaubs die Flucht, kurz darauf überfiel er eine Bank in Baden-Württemberg. Bereits 1988 hatte er einen Freigang genutzt, um mit einer Maschinenpistole eine Bank in Berlin zu überfallen. DPA