Kleider machen keine Hausbesetzer

Friedhof der gekochten Wollhosenträger: Die Eröffnung eines Comme-des-Garçons-Ladens in der Chausseestraße

In der ehemaligen Brecht-Buchhandlung gleich neben dem Dorotheenstädtischen Friedhof hat am Wochenende ein Klamottenladen eröffnet. In der Chausseestraße spüren manche die ganz besondere „Berliner Energie“ ja ganz besonders stark. Ost-West-Mischung aus schon wieder eingegangenen Start-ups, Designerlofts, leer stehenden Geschäften, einer Galerie vom Kollegen des Sechsen-Malers („der Minus-Mann“), Baggern, die sich in die Böden alter Gründerzeithäuser buddeln. Eine Spielwiese für Spekulanten, Friedhof der Kuscheltiere und toten Dichter.

Und jetzt also ein Geschäft für die japanische Designermarke Commes des Garçons. Deren Headquarter in Japan, geführt von der Topdesignerin Rei Kawakubo, hat den Präsidenten Adrian geschickt, der für das Geschäft außerhalb Japans verantwortlich zeichnet.

Vor dem neuen Shop stehen die üblichen Verdächtigen, die sonst auch mal gern bei Ausstellungseröffnungen ein Sektchen schlürfen und cool rumhängen. Genau meine Crowd, har. Im Fax des Ladens hatte was gestanden von „Hausbesetzerstyle“, „Guerrilla Shopping“ und Ähnlichem. Das Wort Guerilla schreibt sich aber nur mit einem „r“. Also geht’s hier wieder mal um ein Marketingkonzept, das sich coole Styles zu eigen machen will, die mit politischen Codes spielen. Nike für Reiche.

Billig nämlich sind die Commes-des-Garçons-Artikel durchaus nicht. Eine nett individuell gedrechselte Hose, sehr warm und weich im Touch, kostet gern schon mal 414 Euro. Auch ein Jacket kostet lustigerweise 414 Euro. Es gibt aber auch schon mal ein schönes Hemd für 212 Euro. Oder eine rote, leider leere Brieftasche für nur irgendwas über 100 Euro, wahrscheinlich 112. Vorn gleich rechts hat man ein Eckchen mit Parfüms und anderen Geruchsartikeln aufgebaut. Ein silbernes Fläschchen mit einer 2 drauf, wie ein Flachmann, schmiegt sich in die zarten Hände zweier Mitte-Girls. Ein schwuler Verkäufer nimmt eines der bunten Glasfläschchen mit und sagt: Die Ecke hier bringt noch mal eine ganz andere Energie in den Laden. Die Chefin hatte vorher auch schon von der Energie der ganzen Gegend gesprochen, die habe man auch durch die Nacktheit der Wände und deren Historizität dokumentieren wollen. Nicht mit Farbe die Widersprüche zukleistern, ja, ja. Wie wär’s mit ’nem Brecht-Parfüm, vielleicht eine ganze Serie für den Mann, Arbeitstitel „Herr K.“.

Der Präsident für die Welt außerhalb Japans kommt vorbei und bringt ein Gläschen Champus von Piper-Heidsieck mit –schmeckt auch nicht viel besser als Sekt. Herr Adrian erzählt ein wenig über die Klamotten. Die Wolle sei gekocht – genau das, was Mütter niemals mit dem Pullover machen sollten. Einiges sei extra von Miss Commes des Garçons für diese Stadt entworfen. Der spezielle Geist Berlins weht durch meine Hose, könnte der Träger sich dann stolz in seinem Problemkiez sagen.

ANDREAS BECKER