Ehre für Underdog

Heinrich-von-Stephan-Schule erhält Theodor-Heuss-Medaille für vorbildliches pädagogisches Konzept

Die Heinrich-von-Stephan-Schule in Tiergarten war der heimliche Star bei der Verleihung der diesjährigen Theodor-Heuss-Preise in Stuttgart. Die Haupt- und Realschule erhielt mit fünf anderen Schulen aus ganz Deutschland die angesehenen Demokratiemedaillen.

Das Festpublikum begann zu raunen, als der gleichnamige Enkel des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss die Rahmenbedingungen der Moabiter Stephan-Oberschule im feinen Stuttgarter Nobelhotel „Maritim“ vortrug: Die kleine Schule mit 182 Kindern habe Anfang der 80er-Jahre als scheinbar „unregierbare Restschule“ vor der Schließung gestanden. Sie liege in einem Bezirk mit dem höchsten Sozialhilfeempfängeranteil Berlins. In der Schule lernten Kinder aus 17 verschiedenen Nationen. Seit 1988/89 arbeite sie jedoch nach einem aus dem Lehrerkollegium entwickelten pädagogischen Konzept, das inzwischen preiswürdig sei.

Die wichtigsten Elemente der „Heinrich-von-Stephan-Pädagogik“: Jede Klasse wird schwerpunktmäßig (16 Stunden) von einem Zweier-Lehrerteam betreut, das die Kernfächer Mathematik und Deutsch unterrichtet. „Klassenarbeiten“ sind – ein Novum – individuell auf den Schüler zugeschnitten. Die Schule verzichtet weitgehend auf Noten und ersetzt sie durch andere Beurteilungsformen. Inzwischen ist die Stephan- eine Haupt- und Realschule, das heißt, sie integriert verschiedene Leistungsniveaus von Schülern.

In Berlin wird die Stephan-Schule vor allem für ihre Antigewaltprogramme wie das „Streitschlichter“-Modell gelobt. Rektor Jens Großpietsch freute sich in Stuttgart allerdings, dass seine Schule die Heuss-Medaille nicht für diesen „wichtigen Sozialklimbim“ erhielt: „Wir sind froh, dass auch unser pädagogisches Konzept inzwischen auf Bundesebene Anerkennung findet.“

CHRISTIAN FÜLLER