Blumige Tage der Wonne

Im April gehört der Garten fit gemacht – mit Frühlingsdünger aus dem Baumarkt

„Die Welt tut nur so spröde“, spricht er träumenden Erwartens, „sie will erobert sein“

Schon Mitte März war Konrad nervös. Das passiert ihm Jahr für Jahr. Es ist ein Naturgesetz. Wie ein eingesperrtes Tier zottelt er im Hausflur auf und ab, hin und her. „Wir müssen unseren Garten bestellen“, murmelt er. „Herrje, es ist Zeit. Wir müssen den Garten bestellen.“ Kaum kommt etwas laue Luft blau geflossen, ergreift ihn der Furor. Endlich wieder raus! Sobald der Boden einigermaßen abgetrocknet ist, beginnt die Arbeit. Konrad will nicht träg und blöde zagen, sondern holt die Gummistiefel aus dem Keller, ölt die Schere, und mit einem Eimerchen bewaffnet geht’s auf zum ersten Rundgang. Während der Aufräumarbeiten kann er sich ein Bild von der Situation verschaffen. Da ist sein Mantra abermals zu hören: „Wir müssen unseren Garten bestellen.“

Wenn auf den Gefilden neues Entzücken keimt und sich die Ansicht wieder verschönt, schmeißt Konrad den Hurricane-Rasentraktor an, zwölf Komma fünf PS, vier Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang. „Die Welt tut nur so spröde“, spricht er träumenden Erwartens, „sie will erobert sein.“ „Nur zu,“ ermuntert ihn seine Frau Kunigunde und drückt ihm Ranunkeln, Tulpen und Astern in die Hand. Einige Blumen, das weiß Konrad, sind dem Auge, andere sind dem Herzen nur schön. „Egal“, sagt er, „der Vorteilspack Universal Frühlingsdünger mit Guanoextrakt, drei Liter für eins achtundneunzig wird’s schon richten.“ Er weiß, wovon er redet.

Kistenweise schleppt er den streufähigen und schnell wirksamen Blaudünger an, das 70-Liter-Paket naturreinen, nicht fermentierten Rindenmulch und das Bittersalz, das die braune und blassgrüne Färbung an Tannen, Fichten und anderen Koniferen verhindert (10 Kilo für vier fünfundfünfzig). Den Himmel dann, das blaue Meer der Sehnsucht, grüßt der wackere Mann treu, wenn er das Kabel seines Elektrovertikutierers in die Steckdose stöpselt: Eintausendeinhundert Watt, sechsundzwanzig Zentimeter Schnittbreite, zwölf Messer und der optionale Fangsack garantieren erfolgreiches Vertikutieren. Nur in der blauen Trübe verliert sich manchmal fern der Blick, aber dann heißt es, wieder fleißig sein: Die Neptun Regenfasspumpe TR 400 mit Regulier- und Absperrventil und integriertem Schmutzfilter steht bald an ihrem Platz. In den Erdboden rammt er die feuerverzinkten Einschlagbodenhülsen für den neuen druckimprägnierten Lamellenzaun. Konrad ist gerüstet, hat Forsythien im Drei-Komma-fünf-Liter-Container für drei neunundneunzig gekauft und Gänseblümchen im praktischen Dreierpack für eins neunundneunzig. Narzissen, extra starke Gärtnerware, sind hurtig gepflanzt, und eine robuste und pflegeleichte Heckenthuja für fünfzehn fünfundfünfzig ragt längst flatternd durch die Lüfte dem blauen Band entgegen.

„Tage der Wonne“, brüllt Konrad seiner Frau zu, die mit Krail oder Kultivator, so genau ist das nicht zu erkennen, den Boden lockert. Konrad, in der Brust den Sonnenschein, wendet sich derweil dem Frühbeetkasten aus witterungs- und fäulnisbeständigem Robinienholz zu. Das robuste Gartenwirtschaftsgestühl ist schnell aufgestellt, sechs Millimeter starker Bandstahl, geschützt mit einer im Schmelztauchverfahren aufgebrachten Zinkschicht.

Leise Bewegung bebt in der Luft, als Konrad die baskischen Sitzkissen aus dem Blockbohlenhaus „Malmö“ holt. Endlich setzt der warm erflehte Frühlingsregen ein, ein Segen, der die Flur durchweht. Tröpfelt bald aus, und alles trocknet wieder. Der Blick fällt auf allerliebstes Frühlingsgelände, mit Nadeln zierlich schattiert. Das bringt Konrad auf den Gedanken, den Gartenascher aus eloxiertem Aluminium, der nur 33 Euro gekostet hat, in den Rasen zu stecken.

Eine kleine Mattigkeit hat ihn ergriffen. Zwar fällt sein Blick noch auf die Dichtzaunelemente, glatt gehobelt mit Lamellen und Edelstahlklammer. Soll er die noch rasch montieren? Konrad grübelt verdutzt: „Ernst ist der Frühling, seine Träume sind traurig.“ Was ist denn da bloß los? Selbst Kunigunde kann nicht helfen, ist ratlos. Ein kahler Baum krümmt sich in schwarzem Schmerz. Auch das noch. Unsäglich ragt des Nussbaums Traumgestalt.

Es nimmt kein Ende. Wie Hohn dröhnt Konrad jetzt die Stille in den Ohren, und er ist versucht, den Hurricane Elektro-Rasenmäher anzuwerfen. Einunddreißig Zentimeter Schnittbreite, dreißig Liter Fangkorb und dreifacher Schnitthöhenverstellung, TÜV-geprüft. Verzichtet dann darauf. Hat ja doch keinen Zweck. Buntes Gefieder rauschet im Hain eine Weile, aber das geht ihm auch auf die Nerven. Und dann ist Ruhe. Ein paar Unkräuter werden noch entfernt, die Oberfläche mit einem Rechen geebnet. Lustlos, verzagt, kein Wohl im Weh.

Wieder bricht eine Gartensaison an. Solange der Vorrat reicht.DIETRICH ZUR NEDDEN