tonspur
: Schlachtgetöse und Barockmusik

Heute will ich mich mal von meiner literarischen Seite zeigen. Und Ihnen was vorlesen. Können Sie sich noch an die Gute-Nacht-Geschichten aus dem Märchenbuch erinnern? Augen zu, Ohren gespitzt, und durch bloßes Lauschen ist man plötzlich ganz weit weg, entführt in eine fremde Welt. Deshalb, wie gesagt, heute eine kleine Lese-Auslese aus den Programmen der nächsten Woche.

Zwei Wälzer zu Beginn, die auf Papier schon allein wegen ihres Umfangs abschreckend wirken: „Der abenteuerliche Simplicissimus“ von Grimmelshausen (rund 600 Seiten) und „Combray“, die Ouvertüre von Prousts Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (rund 4.000 Seiten). Mehr als sechs Stunden müsste der Hörer allerdings investieren, um allein den barocken Roman aus dem 17. Jahrhundert ins Ohr zu kriegen, den Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen über den Dreißigjährigen Krieg verfasst hat. Thomas Mann hat es ganz gut auf den Punkt gebracht: „Bunt, wild, roh, amüsant, verliebt und verlumpt, kochend vor Leben, mit Tod und Teufel auf du und du.“

Regisseur Hans Gerd Krogmann hat dieses Wahnsinnswerk mitsamt seinen Obszönitäten sowie exakten Schilderungen des Kriegsgeschehens in eine Hörspielfassung gegossen, die es in sich hat. Sprechchöre, Schlachtgetöse, barocke Musik – nur einige Elemente, die Krogmann benutzt, um das geschriebene Wort opulent zum Klingen zu bringen. Erstklassige Sprecher – u. a. Rolf Boysen als Grimmelshausen und Felix von Manteuffel als Simplicius – vervollständigen das Spektakel in vier Teilen (Sonntag, Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, jeweils 16.05 Uhr, SWR2).

Weitaus feinsinniger, aber nicht weniger spannend, kommt dagegen die erste deutsche Hörspielfassung von „Combray“ daher. In drei Teilen ruft Marcel Proust seine Kindheit, seine Ferien in Combray zurück. Und wer sich die einfühlsame radiophone Bearbeitung dieses literarischen Meisterwerks – mit einem grandios flüsternden Sylvester Groth als Erzähler, als Marcel Proust – anhört, der wird sich vielleicht auch erinnern: an einige missglückte Versuche, das Proust’sche Hauptwerk ganz durchzulesen (Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, jeweils 11 und 19 Uhr, BR2).

Mehr Literatur gibt es täglich auf fast allen Kanälen. Zum Beispiel im Hessischen Rundfunk, jeden Werktag um 14.30 Uhr. Diese Woche ist „Rameaus Neffe und andere Dialoge“ von Denis Diderot im Angebot.

Und noch was für die Hörerleser im hohen Norden: Jeden Morgen um 8.30 Uhr gibt es momentan eine halbe Stunde „Schwarz und Weiß“ von Stendhal.

Für alle und jeden gleich gut empfänglich ist schließlich der Büchermarkt im Deutschlandfunk (täglich, 16.10 Uhr). Hier gibt es Infos rund um Neuerscheinungen und Autoren, samstags für junge Leser. Wer sich aber jetzt schon mit der Idee des Vorlesens angefreundet hat, kann gleich loslegen: Einfach jemanden suchen, der diesen Text hier laut und deutlich vorträgt. Darüber freut sich

VERONA VON BLAUPUNKT