Kein Recht auf Pleite

Der Plan, ein Insolvenzrecht für Staaten einzuführen, ist vorerst vom Tisch. Auf der IWF-Tagung beherrschte stattdessen der Irak das Thema

NEW YORK taz ■ Das geplante Insolvenzrecht für überschuldete Staaten ist erst einmal vom Tisch. Was am Wochenende in Washington das große Thema der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank werden sollte, gehört jetzt zu den Opfern des Irakkriegs. Sprach vor einem halben Jahr die Finanzwelt noch mit Schrecken über Argentinien und dessen Zahlungsunfähigkeit, so interessierten jetzt nur noch die Auswirkungen des Kriegs auf die Weltkonjunktur und die Finanzierung des Wiederaufbaus im Irak.

Seit vergangenem Herbst war deutlich geworden, dass die USA, die allein über 17 Prozent der Stimmen im IWF und damit ein Vetorecht verfügen, an einem internationalen Insolvenzrecht nur wenig Interesse haben – nicht zuletzt wegen der massiven Lobby-Arbeit der privaten Finanzinstitute, deren Macht durch ein solches Konkursgericht beschnitten würde. Die USA favorisieren stattdessen so genannten Mehrheitsklauseln, um die endlosen Verzögerungen bei Umschuldungsverhandlungen zu vermeiden. Darin verpflichten sich die Käufer von Staatsanleihen, sich im Falle einer Umschuldung dem Mehrheitsvotum der Gläubiger zu beugen.

Der Finanzausschuss des IWF dankte den IWF-Mitarbeitern nun trocken für ihre Arbeit an einem Insolvenzrechtsentwurf. Man müsse jedoch „anerkennen, dass es derzeit nicht machbar ist, einen Insolvenzmechanismus einzurichten“. Nur mit einzelnen in dem Vorschlag aufgeworfenen Fragen will man sich weiter beschäftigen, zum Beispiel die Transparenz der Umschuldungsverfahren und die bessere Abstimmung zwischen privaten und staatlichen Gläubigern. Jürgen Kaiser von der Kampagne Erlassjahr.de urteilt: „Der große Wurf ist vom Tisch.“ Kaiser hofft jetzt wie viele entwicklungspolitische Organisationen auf die Vereinten Nationen.

Heute berät in New York der UN-Wirtschafts- und Sozialrat über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema neue Entschuldungsverfahren. „Diesmal werden alle, die es betrifft, Regierung aus Nord und Süd, internationale Finanzinstitutionen, Privatgläubiger und zivilgesellschaftliche Organisationen, mit am Tisch sitzen“, so Kaiser.

Selbst die üblichen Gegendemonstrationen blieben diesmal weitgehend aus. Für gestern Nachmittag erwarteten entwicklungspolitische Organisationen ganze 2.000 bis 4.000 Teilnehmer an einer Demo. Motto: „Gegen militärische und ökonomische Intervention in Lateinamerika“. NICOLA LIEBERT