US-Nervenkrieg gegen Syrien

Iraks Nachbarland unter verbalem Dauerbeschuss. Einen heißen Krieg erwartet derzeit kaum einer. Doch „volle Kooperation“ soll erzwungen werden

aus Amman KARIM EL-GAWHARY

Steht nach Afghanistan und Irak Syrien auf der amerikanischen Abschussliste? Zumindest die verbalen US-Angriffe gegen Damaskus reißen nicht ab. Als vorläufig Letzter fügte sich US-Außenminister Colin Powell in die Reihe der amerikanischen Regierungsbeamten ein, die Warnungen an Syrien schicken. Er forderte das Nachbarland des Irak auf, alle angeblich in das Land geflohenen ehemaligen irakischen Offiziellen festzunehmen und sie an Washington auszuliefern. „Wir glauben, es ist wenig hilfreich, wenn Syrien zum einem Refugium für diese Menschen wird, die der Gerechtigkeit zugeführt werden müssen“, sagte Powell gegenüber der britischen BBC am Sonntag.

Powell stieß damit ins gleiche Horn wie sein Chef zwei Tage zuvor. „Wir erwarten volle Kooperation von Syrien, und wir fordern das Land auf, keine Baath-Parteimitglieder, Verwandte Saddam Husseins und irakische Generäle aufzunehmen“, hatte George Bush erklärt. Syrien streitet diese Vorwürfe ab. „Das Ganze ist dazu angetan, von Amerikas Scheitern im Irak abzulenken“, schlug Syriens Außenminister Faruk Schara gestern zurück.

Bereits seit Wochen bereiten die Falken in der US-Regierung den Boden für einen möglichen weiteren Konflikt mit Syrien. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schießt sich fast täglich auf das Land ein. Auch der Staatssekretär des US-Außenministeriums, John Bolton, erklärte, das Schicksal Saddam Husseins solle Syrien als Warnung dienen. Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz propagierte offen, „in Syrien muss es einen Wechsel geben“, und der einflussreiche Pentagon-Berater Richard Perle erneuerte seinen Verdacht, in Syrien könnten irakische Massenvernichtungswaffen gefunden werden. Die müsste Syrien sofort abgeben, sonst, so Perle im International Herald Tribune, „würde wohl keiner ausschließen wollen, dass wir die volle Breite unserer Möglichkeiten ausschöpfen“.

In der zukünftigen Achse des Bösen, Nordkorea, Iran und Syrien, stellt Syrien tatsächlich das schwächste Glied dar. Seine 316.000 Mann starke Armee ist zwar angeblich gut trainiert, es fehlt ihr aber an Material und Ersatzteilen.

Noch bellt Washington nur. Wird es irgendwann einmal beißen? An der syrisch-irakischen Grenzstation Abu Kamal und entlang der 400 Kilometern langen Grenze sollen immer wieder US-Kampfjets im Tiefflug gesichtet worden sein, wohl um jeglichen Grenzverkehr abzuschrecken. Auch die Ölpipeline zwischen dem irakischen Kirkuk und dem nordsyrischen Hafen Banias, soll nach einem Bericht der kuwaitischen Tageszeitung Al-Rai al-Am bombardiert worden sein.

Doch die meisten Beobachter schließen aus, dass die USA zurzeit ihren Irakkrieg über die Grenzen tragen könnte. Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer, der derzeit in Beirut und Damaskus einen Dokumentationsfilm für die US-Fernsehstation ABC dreht, glaubt allerdings, dass das Pentagon bereits beschlossen hat, die Präsenz von US-Truppen im Irak auszunutzen und gegen Syrien vorzugehen. „Syrien ist verwundbar. Es gibt eine Eskalation der Rhetorik, und es wäre ganz nach dem Geschmack Israels“, sagt Bear gegenüber der amerikanischen Tageszeitung Christian Science Monitor.

Tatsächlich wäre ein hartes Vorgehen Washingtons gegen Syrien, das immer noch eine Hardliner-Politik gegen Israel fährt, ganz im israelischen Interesse. Ob die US-Regierung darauf eingehen wird oder ob sie erst ihre Kriege in Afghanistan und Irak konsolidieren will, ist noch offen. Klar ist: Die meisten Falken, die jetzt in Washington gegen Syrien schreien, sind bekanntermaßen Tauben, wenn es um Israel geht.