Ländliche Voyeure

Von Hinrichtungen über Wallfahrten und Jahrmärkte: eine Ausstellung über die Schaulust vom Lande

Richtblock, Beil und Hinrichtungsstuhl als gruselige Einladung zu einer Ausstellung: Die original Henker-Requisiten illustrieren das erste und makaberste Kapitel der Präsentation „Zur Schau gestellt – Ritual und Spektakel im ländlichen Raum“, die am Sonntag im Museumsdorf Cloppenburg eröffnet wird. Die Ausstellung läuft bis zum 31. Oktober.

Am 5. August 1842 reisten ein Scharfrichter aus Hannover und hunderte von Schaulustigen in die damalige Amtsstadt Friesoythe im Landkreis Cloppenburg: Ein Bauernsohn sollte wegen der Ermordung seiner schwangeren Freundin enthauptet werden. Kruzifixe am Straßenrand wiesen Ortsunkundigen den Weg zu dem blutrünstigen Schauspiel. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung in der Region.

Sensationslust und Frömmigkeit waren dabei offenbar keine Gegensätze, die Furcht vor dem Bösen und die Sicherheit, ‚auf der richtigen‘ Seite zu stehen, schufen fließende Verbindungen zwischen der Lust am Schauen und der Bigotterie. Die Cloppenburger Erlebnisschau „für die ganze Familie“ inszeniert die Ausstellung auf zwei Ebenen mit fast 1.000 Quadratmetern Fläche. Dort werden 500 große und kleine Originalobjekte aus dem 17. bis 20. Jahrhundert gezeigt. Ergänzt wird die Show mit Fotos, Filmen und Dokumentationen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Blicks auf ländliche Sensationen sind die Wallfahrten und Prozessionen, die im katholischen Münsterland bis heute eine zentrale Rolle spielen.

Vergangenheit dagegen sind jene Jahrmärkte, die bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Riesen und Zwerge, Bartfrauen und Rumpfmenschen als schaurig-amüsante Schau des ganz Anderen vorführten. Von allen Attraktionen hat der Zirkus über die Jahrhunderte seinen Charakter am wenigsten verändert. In einem Zirkuszelt können Jung und Alt die Utensilien großer Artisten der Vergangenheit bestaunen. Und auch ein kleines Kino mit „bewegten Bildern“ aus dem Jahr 1900 darf als Attraktion nicht fehlen.

Das Niedersächsische Freilichtmuseum, besser bekannt als Museumsdorf Cloppenburg, kooperiert seit Jahren erfolgreich mit vier Freilichtmuseen aus anderen Bundesländern in dem Verbund „Arbeit und Leben auf dem Land“. Auch die Sonderausstellung „Zur Schau gestellt“ ist eine kostensenkende Gemeinschaftsproduktion unter Cloppenburger Regie. Im Anschluss an Cloppenburg geht die Schau auf dreijährige Wanderschaft durch die Verbundsmuseen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (350 Seiten, 24 Euro).

dpa

Das Museumsdorf Cloppenburg ist täglich von 9.00-18.00 Uhr geöffnet.