vorlauf bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Vor ungefähr hundertfünfzig Jahren saß ein Schreiber namens Bartleby in irgendeinem Wallstreet-Büro – ungefähr dort, wo heute der Ground Zero ist. Für seinen Arbeitgeber wurde er insofern zur Belastung, weil er jede Anforderung mit der Antwort „I prefer not to“ quittierte. Erfunden hat den Schreiber Bartleby der amerikanische Romancier Herman Melville, besser bekannt durch „Moby Dick“, dessen Erzähler Ismael einst ebenfalls von Downtown Manhattan zur Jagd auf das ultimativ Böse aufgebrochen ist. Nicht mit George Bush, aber mit Kapitän Ahab. „Lieber nicht – eine Ausdünnung“ heißt der neue Abend von Christoph Marthaler an der Volksbühne, der das Bartleby-Motiv zum Prinzip gemacht hat (ab Donnerstag). Und weil Amerika uns allen im Augenblick den Schauer seligen Entsetzens über den Rücken jagt, spielt auch die neue Schaubühnenproduktion im schrecklich-schönen Amerika, und zwar im Moloch Chicago, wo einst Bert Brecht das „Dickicht der Städte“ am brutalsten symbolisiert fand. Der polnische Regisseur Grzegorz Jarzyna hat dieses Frühwerk inszeniert (Premiere heute). Im Grünen Salon der Volksbühne präsentiert Die höhnende Wochenschau morgen mit „Neuesten unterdrückten Nachrichten“ wieder satirischen Journalismus vom Feinsten. Mit von der Partie: Dr. Saddam Seltsam. Und weil an fiesen Männern momentan wahrlich kein Mangel herrscht, möchte auch das Deutsche Theater mit „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ nach David Foster Wallace im Trend bleiben (ab Donnerstag). Im Theaterhaus Mitte kann man sich in „Holiday“ dafür noch einmal an eine wunderbare Frau erinnern: an Billie Holiday, die nicht nur an Alkohol und Drogen, sondern auch an Amerika zugrunde ging (ab Samstag).