Berliner Elementarteilchen

Studie „Element“ testet erstmals Deutsch- und Mathematik-Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern der Stufen fünf und sechs. Bildungssenator Böger will „wissen, was an Schulen los ist“

von SUSANNE LANG

Wenn Wissen wirklich Macht ist, dann dürfte die von Klaus Böger in den nächsten zwei Jahren um einiges anwachsen. Für diesen Zeitraum hat der Bildungssenator (SPD) nun auch in Berlin eine Studie an Schulen in Auftrag gegeben, die im Anschluss an internationale Untersuchungen vor allem eines wissen will: Wie steht es um das Lese- und Mathematikverständnis von Berliner Schülern in den Klassen vier bis sechs? Von Mitte 2003 bis Mitte 2005 sollen an 69 Grundschulen und zwei Gesamtschulen mit Grundschulzweig rund 5.000 Schülerinnen und Schüler verpflichtend gestestet werden.

Die teilnehmenden Schulen wurden per Zufallsprinzip ausgewählt. Geleitet wird die Studie von Rainer Lehmann, der als Leiter der Abteilung Empirische Bildungsforschung an der Humboldt-Universität bereits für Hamburg und Brandenburg ähnliche Untersuchungen durchgeführt hat. Die Kosten der Studie, die sich auf 200.000 Euro belaufen, hat der Senat bereits bereitgestellt.

Auch wenn der Name der Berliner Studie, „Element“ („Erhebungen zum Lese- und Mathematikverständnis – Entwicklungen in den Jahrgangsstufen 4 bis 6“), nicht ganz so kreativ und eingängig klingt wie etwa der ihrer unmittelbaren, internationalen Vorgängerin Iglu (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) – im Anspruch steckt das Berliner Projekt nicht zurück. Der Bildungssenator möchte direkt an Iglu anknüpfen und zwei bisher blinde Flecken in der Testlandschaft transparent machen: einmal spezielle Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer – internationale Studien wie Iglu schlüsseln ihre Ergebnisse nur national auf – und zum anderen Erkenntnisse über die Jahrgangsstufen fünf und sechs. Iglu hatte sich auf die vierte Grundschulklasse beschränkt. „Wir wollen wissen, wie gut die Schülerinnen und Schüler auf den Übergang von der Grund- in die Oberschule vorbereitet sind, wie gut die Grundschulen mit der heterogenen Schülerschaft umgehen können und wie die Lernerfolge tatsächlich aussehen“, sagte Böger gestern, als er die Studie vorstellte. Damit richtet nach Hamburg und Brandenburg nun auch das Land Berlin den Blick auf einen Bereich, der zunehmend bundesbildungspolitisch an Aufmerksamkeit gewinnt: die Sekundarstufe eins, der Übergang zwischen Grundschule und Oberschule.

Ein wesentlicher Unterschied zu Studien wie Iglu oder Pisa ist die Anlage von „Element“. Sie ist als so genannte Längsschnittstudie konzipiert. Sie soll keine punktuelle Bestandsaufnahme der Schülerleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern, sondern ermittelt die Lernerfolge über einen Zeitraum. Jeweils am Anfang und am Ende einer Jahrgangsstufe wird drei Jahre lang der Entwicklungsstand in Deutsch und Mathematik getestet, im direkten Vergleich zu den Parallelklassen. „Dadurch wollen wir ein klareres Bild davon entwickeln, was man von Schule erwarten kann, und im Rückschluss Mindeststandards entwickeln“, so Böger. Zusätzlich zu den Lernerfolgen werden die Bildungsforscher ab Juni nach dem soziokulturellen und familiären Hintergrund der Schülerinnen und Schüler fragen. Das heißt, auch die Eltern werden mit einem allerdings freiwilligen Fragebogen in die Untersuchung einbezogen. Ziel ist es, Informationen über die unterschiedlichen familiären Hintergründe der Kinder und ihre Bildungsförderung durch die Eltern zu erhalten.

Mit der länderspezifischen Studie „Element“ springt Berlin grundsätzlich auf eine nationale Trendwende in der Bildungspolitik auf: weg von der Dogmatik, hin zu empirischen Wissen. Böger kritisierte, dass in den vergangenen Jahren in den Schulen viel zu viel von Behauptungen und politischen Programmen gelebt worden sei. „Wir wissen viel zu wenig, was in den Schulen tatsächlich los ist“, so der Senator. Die Ergebnisse der Studie sieht er nicht als Selbstzweck, sondern als strukturelle Erkenntnisse, die politisch umgesetzt werden müssen. Wie das aussehen wird und welche finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden können, wird man zum ersten Mal Ende nächsten Jahres sehen, wenn die Ergebnisse aus der ersten Testrunde bekannt gegeben werden. Bis dahin gilt wohl noch die alte Regel des Ignoranten: Was man nicht weiß, macht auch den Bildungspolitiker nicht heiß.