Freundin Schokolade

Mit ihrem Buch „Abnehmen mit Schokolade“ stellen zwei Ernährungsexperten aus Lübeck die Diät-Welt auf den Kopf. Ihre Botschaft: Was lecker ist, muss nicht dick machen

Mit so einem Ansturm haben Karin und Roland Possin beim Erscheinen ihres Buches im Oktober nun wirklich nicht gerechnet. „Über uns ist eine Welle niedergebrochen“, sagen die Ernährungswissenschaftler aus Lübeck. Dabei haben die Possins doch über nichts anderes als Schokolade geschrieben. Allerdings wird das Naschwerk in „Abnehmen mit Schokolade“ nicht verteufelt und vom Speiseplan verbannt. Im Gegenteil, es wird als Seelenstreichler beworben.

In den kommenden Monaten fahren die Lübecker quer durch die Republik, um in etlichen Buchhandlungen und Schokoladerien über ihre süße These zu sprechen. „Schokolade ist kein Feind, sondern unsere Freundin“, sagt Roland Possin. Nur wüssten viele Menschen nicht, wie man Schokolade richtig genießt.

In ihren Lesungen zeigen sie vor Ort, wie das geht. Dabei dürfen sich die Zuhörer jeweils zwischen Vollmilchschokolade oder Zartbitter entscheiden. Jeder bekommt dann nur ein einziges Stück. Bevor dieses im Mund zerschmelzen darf, muss es gestreichelt, ertastet und gerochen werden. Erst nach diesem Ritual darf das Schokostückchen langsam auf der Zunge zergehen.

Besonders Frauen, die Probleme mit ihrer Figur haben, seien an der Schoko-Kur interessiert. „Männer mögen eher deftige Sachen“, sagt Possin. Aber auch denen empfiehlt er, in Ruhe zu essen und sich Zeit zu nehmen. Schließlich könne der Magen herunter geschlungenes Essen nicht schnell genug verdauen. Bis ein Sättigungsgefühl eintrete, dauere es mindestens 15 Minuten.

In die Lübecker Praxis der Possins kommen mittlerweile auch Kinder und Jugendliche. Die Anzahl der übergewichtigen Heranwachsenden werde immer größer, sagt Possin. „Dabei ist das soziale Umfeld aber oft entscheidender als die Ernährung.“ Ein Großteil der Problemfälle wachse bei alleinerziehenden Müttern auf. Während Karin Possin mit Schülern schon mal Zucker abwiegt und dann zeigt, wie viel davon in einem Gummibärchen steckt, benutzt ihr Mann lieber Trommeln. Mit denen gehe er dann in die Schulen und fragt die Jungs und Mädchen nach ihrem Lieblingsessen. Gyros und Döner laute die Antwort oft.

Im Takt der Trommeln müssen die Schüler dann das von ihnen gewählte Gericht darstellen. „Dann tanzen sie eben ihre Bockwurst oder das Popcorn“, sagt Roland Possin.

Im eigenen Kühlschrank der Ernährungsratgeber geht es nicht allzu streng zu. „Ich gebe ja keine extremen Empfehlungen“, sagt Possin. Ausgewogen müsse es sein und schmecken soll es auch. Und so findet sich bei den Possins die Ketchup-Flasche neben Natur-Joghurt und Gemüse.

Diese Mischung habe in den meisten Haushalten durchgesetzt: „Es gibt einen Trend dahin, dass sich die Menschen gesünder ernähren.“ Gleichzeitig seien viele durch Diät-Trends verunsichert und wüssten nicht mehr, was gut oder schlecht für sie ist. Dabei liegt das doch auf der Zunge: Gut ist unsere Freundin Schokolade. UTA GENSICHEN