Der „Schicksalsgemeinschaft“ ist bange

Die NRW-SPD demonstriert in Bochum Geschlossenheit – aus nackter Existenzangst. Unmut über Wolfgang Clement

BOCHUM taz ■ Es gibt für Sozialdemokraten noch Momente des Glücks. Am Samstag, um 15.38 Uhr war so ein Moment. Da sah sich Wolfgang Clement von Begeisterungsstürmen umbrandet. Nein, nicht in der Bochumer Kongresshalle, sondern keine 50 Meter weiter beim 1:0-Tor „seines“ VfL gegen Bayern München im Ruhrstadion. Dahin war der frühere NRW-Ministerpräsident entschwunden, nachdem er mit mürrischer Miene das Treiben derjenigen verfolgt hatte, die ihn einst zum Nachfolger Johannes Raus gemacht hatten. Damals, als die rote Welt noch in Ordnung schien und Clement der Garant dafür, dass dies auch so bleibt. Davon ist nicht viel geblieben. Man hat sich entfremdet.

„Das ist zum Kotzen, was der da macht“, schimpft ein Delegierter im Foyer über das Verhalten des „Bundessuperministers“, der ganz bewusst Spekulationen über seinen möglichen Rücktritt als SPD-Vize nicht entschieden entgegentritt. Schon immer galt besonders in NRW Geschlossenheit als eine besondere sozialdemokratische Tugend. In Zeiten der großen Krise erscheint sie als letzter Rettungsanker.

Ministerpräsident Peer Steinbrück muss historisch schon weit ausholen, um die dramatische Lage zu illustrieren: „Wir haben uns in 140 Jahren nicht von Bismarcks Junkern, nicht von Hitlers Mördern und auch nicht von Stalins Schergen in die Knie zwingen lassen“, beschwört er die Partei. Die SPD sei „ nicht nur eine Partei, wir sind eine Schicksalsgemeinschaft“. Man könne „nur miteinander gewinnen oder gemeinsam verlieren; der eine früher, der andere später“.

In NRW kommt die Niederlage eher früher: Am 26. September bei den Kommunalwahlen. Die Aussichten stehen schlecht. Dabei waren schon die Kommunalwahlen 1999 eine Katastrophe: Reihenweise wurden die roten Rathäuser geschleift. Damals sprachen viele Genossen von einem Betriebsunfall wegen „schlechter politischer Großwetterlage“. Inzwischen ist das von Berlin herüberwehende Wetter noch rauer geworden.

Mit Sätzen wie „Wir sind die Spitze des Fortschritts“ und „Wir werden im September die Wahlen gewinnen“, versucht der wiedergewählte Landeschef Harald Schartau der Parteibasis Zuversicht zu vermitteln. Die traut ihm nicht so recht. Größeren Beifall erhält Schartau nur, als er erneut Berichtigungen bei der Verdoppelung der Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten einfordert.

Denn von den höheren Beiträgen sind viele Stammwähler aus Großbetrieben betroffen, weswegen er sich diesen Punkt als begrenzten Konflikt mit Schröder und Müntefering herausgesucht hat. Ansonsten jedoch betont er: „Die SPD in NRW tritt für die Agenda 2010 ein – bei allen Diskussionen.“ Die jedoch gibt es auf dem Parteitag gar nicht mehr. Wo zusammenrücken angesagt ist, will niemand mehr offensiv gegen den Berliner Kurs aufbegehren.

Immerhin: Auch die NRW-SPD ist noch begeisterungsfähig. Das beweist sie um 17.27 Uhr. Da wird es zum ersten und einzigen Mal so richtig laut in der Halle – als der Sieg des VfL verkündet wird. Wenigstens der kann noch gewinnen. PASCAL BEUCKER