Kirchen werben noch

Weil zu wenig Stimmen da sind, verschickt „Pro Reli“ jetzt Bettelbriefe an Schüler – und wirbt um deren Eltern

In Berlin ist ein Streit um Aktionen der Kirchen zugunsten des Volksbegehrens „Pro Reli“ entbrannt. SPD-Landes- und -Fraktionschef Michael Müller wirft den Kirchen vor, eine politische Kampagne in staatliche Schulen zu tragen. Hintergrund ist, dass die evangelische und die katholische Kirche über die Schüler ihres jeweiligen Religionsunterrichts Briefe an die Eltern übergeben haben, in denen um Unterstützung des Volksbegehrens gebeten wird. Den Briefen waren Formulare beigefügt, auf denen die Eltern für das Volksbegehren unterschreiben können. Die Kirchen verteidigen ihr Vorgehen.

Die Initiatoren von „Pro Reli“ wollen erreichen, dass ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion eingeführt wird. Derzeit kann Religionsunterricht in Berlin nur zusätzlich zum Pflichtfach Ethik besucht werden. In der zweiten Stufe des Volksbegehrens wurden Medienberichten nach in den ersten Wochen erst rund 40.000 von 170.000 notwendigen Unterschriften gesammelt. Besonders kritisierte Müller, dass Kinder instrumentalisiert würden, wenn sie einen Brief des Religionslehrers zu Hause ab- und ausgefüllt wieder zurückgeben sollen. Unter Umständen gerieten sie untereinander und dem Lehrer gegenüber unter Rechtfertigungsdruck. Dies könne der Fall sein, wenn Kinder zum Beispiel kein ausgefülltes Formular vorweisen könnten, weil die Eltern „Pro Reli“ nicht unterstützen wollten. Die Briefe seien verschlossen nur an Schüler übergeben worden, die am Religionsunterricht teilnähmen, sagte die Sprecherin der evangelischen Kirche, Heike Krohn. Damit sei man einem „Informationsbedürfnis“ nachgekommen.

Die Initiative zur Unterstützung des gemeinsamen Ethikunterrichts „Pro Ethik“ kritisierte die Briefaktionen als „unglaubliche Dreistigkeit“. Sie forderte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) auf, „dieses Treiben schleunigst zu unterbinden“. ddp