Ein böser Schwiegermüttertraum

Die Demontage des langjährigen Skisprung-Bundestrainers Reinhard Heß, der jetzt auf Druck der Aktiven sein Amt niederlegte, kratzt auch am Image von Sven Hannawald

BERLIN taz ■ Im Februar noch, in Bad Mitterndorf beim Skifliegen, hat Reinhard Heß betont, dass er gerne bis 2006 Trainer der deutschen Skispringer bleiben möchte. Außerdem hat er erklärt, warum er sich vor sieben Jahren im Deutschen Skiverband (DSV) so für einen fast magersüchtigen und erfolglosen Springer namens Sven Hannawald eingesetzt hatte. „Ich habe seine Liebe zum Skispringen gespürt. Und er hat mir dieses Vertrauen zurückgezahlt“, sagte Reinhard Heß, und ein feines Lächeln umspielte seine Lippen.

Jetzt hat Hannawald ein neues Kapitel aufgeschlagen. Er, mittlerweile zum Star der Szene aufgestiegen, hat im beschaulichen Planegg bei München, im Büro von DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller, auf den Tisch gehauen. „Ich oder Heß“, soll er gesagt haben bei einer Runde zusammen mit seinen Teamkollegen Martin Schmitt, Michael Uhrmann und Georg Späth. „Wir haben eben über die Saison aus unserer Sicht gesprochen“, schilderte Uhrmann später jenes Gespräch. „Jeder hat seine eigenen Probleme vorgetragen und seine Meinung gesagt. Der eine deutlicher, der andere weniger deutlich.“ Abgesägt hätten die Springer den Trainer nicht. Überhaupt, für die Personalpolitik sei ja der Verband verantwortlich.

Pfüller war zunächst ratlos. „Es steht uns nicht an, einen Trainer abzuschießen“, sagte er am Wochenende. Doch nur wenige Stunden später war es Heß selbst, der verkündete, er wolle nicht mehr Bundestrainer sein. Es fällt schwer zu glauben, dass er, wie er sagt, diese Entscheidung schon vor einigen Wochen getroffen hat. Mit der Vehemenz, mit der vor allem Hannawald seine Absetzung forderte, hatte Heß wohl nicht gerechnet.

Was hat Hannawald dazu veranlasst? Die vergangene Saison war nicht so schlecht, wie im Nachhinein lamentiert wird. Hannawald, nach einer Operation verspätet in die Saisonvorbereitung gestartet, hat sechs Weltcupspringen gewonnen und kämpfte lange um den Gesamtweltcupsieg mit. Bei der WM reisten die von Medaillen in den vergangenen Jahren verwöhnten Skispringer allerdings mit leeren Händen aus dem Fleimstal ab. „Da war jeder enttäuscht“, sagt Michael Uhrmann. Aber das Debakel bei der WM hätte man in der nächsten Saison wieder ausbügeln können. Oder man hätte einen sauberen Schlussstrich unter die neun Jahre währende Zusammenarbeit der Skispringer mit Bundestrainer Reinhard Heß ziehen können. Jetzt hat vor allem Hannawald ein Imageproblem. Die Demontage des Trainers sorgt für Kratzer am Image des nett lächelnden Saubermanns und Schwiegermütter-Traums.

Die heile Welt des Skispringens war schon vorher durcheinander geraten. Längst ist aus der gemütlichen Veranstaltung mit familiärem Charakter eine bunte Show geworden, in der es um Millionen geht. Heß hat das oft kritisiert, zuweilen wirkte er wie ein Relikt aus alten Tagen. Wolfgang Steiert, der rührige Heß-Assistent, der sich gerne im Rampenlicht der Medien sonnt, hat bereits während der Vierschanzentournee seine Ambitionen auf den Cheftrainerposten artikuliert. Steiert ist Heimtrainer von Sven Hannawald und Martin Schmitt, gilt eher als Kumpel denn als Autoritätsperson. Nach dem Rücktritt von Heß ist er erster Anwärter auf den Trainerposten. Dass Pfüller dies noch bestreitet und von Strukturänderungen spricht, geht unter. „Ich hoffe“, sagt Michael Uhrmann und seufzt, „dass da nichts überstürzt wird.“ KATHRIN ZEILMANN