Bahn entdeckt die Nebenstrecke

Um Regionalbahnen zu erhalten, gründet die Deutsche Bahn AG jetzt RegioNetze – zunächst in Thüringen, Hessen, Sachsen und Bayern. Züge sollen jede Stunde fahren

In drei Jahren sollen die regionalen Bahnnetze schwarze Zahlen schreiben – spätestens

ERLENBACH taz ■ Reisender, kommst du nach Rottenbach, wirst du überrascht sein: hypermoderne Dieseltriebwagen geben sich ein Stelldichein in einer Thüringer Gegend, wo sich sonst nur Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Dabei schien noch vor wenigen Jahren klar: Die Deutsche Bahn AG (DB) legt die 25 Kilometer lange idyllische Schwarzatalbahn nahe Saalfeld – wie andere Nebenbahnen – mangels Nachfrage still. Und damit auch die 2,5 Kilometer lange Oberweißbacher Bergbahn, eine Standseilbahn, die zum technischen Denkmal erklärt wurde. Auf einem speziellen Fahrgestell transportiert sie die Eisenbahnwaggons den Berg mit 25 Prozent Steigung hoch. Dann aber kam alles ganz anders.

„Wir haben lange Zeit geschlafen, aber nun sind wir aufgewacht“, sagt Jürgen Dornbach, Geschäftsführer der DB RegioNetz GmbH. Aus der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn (OBS) wurde ein „RegioNetz“ gemacht: 26 Mitarbeiter sorgen vor Ort für einen reibungslosen und rationellen Bahnbetrieb. Rund 15 Millionen Euro investierten DB und Land in die Modernisierung der OBS.

Nun rollen die runderneuerten Räder wieder und sollen vor allem Touristen ins liebliche Schwarzatal locken. Dass dies funktioniert, zeigen regionale Projekte so genannter nicht bundeseigener Bahnen. „Wir lernen von den Privaten“, gibt Dornbach unumwunden zu. Der umtriebige Manager wirbt deshalb auch schon mal einen Betriebsleiter von der Konkurrenz ab.

So wechselte beispielsweiseder Nahverkehrsvorstand Ulrich Homburg Anfang 2000 von einer Privatbahn zur DB. Und kurz darauf wurde im Konzern die „Mittelstandsoffensive“ ausgerufen. Danach sollen regionale Bahnnetze „aus einer Hand“ organisiert, Entscheidungen kundennah vor Ort und nicht mehr im fernen Frankfurt oder Berlin getroffen werden.

Inzwischen sind bundesweit vier mittelständische RegioNetze in Betrieb. Neben der Thüringer OBS gehören dazu die Kurhessen-Bahn in Nordhessen mit einer Streckenlänge von 245 Kilometern, die 217 Kilometer lange Erzgebirgs-Bahn in Sachsen sowie die Südostbayern-Bahn, die allerdings mit einer Netzgröße von 406 Kilometern mehr den Charakter einer S-Bahn hat.

Im Jahr 2002 wurden insgesamt rund 67 Millionen Euro in die RegioNetze investiert. 25,5 Millionen Euro kamen dabei aus DB-Eigenmitteln für neue Fahrzeuge sowie für die Instandhaltung. 41,5 Millionen Euro steuerten Bund und Länder für die Verbesserung der Infrastruktur bei. Diese wird in der Regel von DB Netz gepachtet, die Fahrzeuge sind Eigentum der einzelnen RegioNetze. Langjährige Verkehrsverträge mit den Bundesländern sollen die Unternehmen absichern.

„Eine rechtlich saubere Trennung zwischen Netz und Betrieb ist uns wichtig“, erläutert Dornbach. Die RegioNetz GmbH setzt sich daher aus einer Infrastruktur- und einer Verkehrsgesellschaft zusammen. Es werden die bundesweit üblichen Gebühren für die Nutzung der Bahngleise gezahlt. Bis 2006 sollen die RegioNetze nachhaltig schwarze Zahlen schreiben. Die Verkehrsleistung soll sukzessive ausgebaut werden: der Stundentakt soll Standard sein, die Fahrgastzahlen sollen durch ein kundengerechtes Angebot um mindestens 30 Prozent steigen.

Mehr als zehn RegioNetze sollen es am Ende nicht werden, Dornbach will den Überblick behalten. „Es gibt für die Unternehmensgröße eine natürliche Grenze.“ Schon heute habe man rund 1.000 Mitarbeiter. Die Idee der RegioNetze mache aber nur in kleinen Einheiten Sinn, so Dornbach. „Schließlich wollen wir nicht die Bundesbahn wieder neu gründen.“

MICHAEL SCHWAGER