Gedenken wird gestrichen

Jugendfahrten zu NS-Gedenkstätten werden vom Land nicht mehr gefördert. Das Ministerium bedauert die Kürzungen im Landesjugendplan – die Organisatoren sind überrascht und entsetzt

VON CHRISTOPH SCHURIAN

Vor zwei Jahren sagte der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD): „Jeder sollte einmal Auschwitz besuchen, um diese Tötungsmaschinerie zu sehen und zu verstehen.“ Doch nun werden weniger junge Menschen im Land die Orte der Nazi-Verbrechen sehen und verstehen. Wie die taz erfuhr, strich der Landtagsausschuss für Jugend klammheimlich und mit rot-grüner Mehrheit die Förderung „internationaler Jugendarbeit/Gedenkstättenfahrten“.

Im letzten Haushaltsansatz waren dafür noch 333.000 Euro vorgesehen. Auch im ursprünglichen Entwurf des Doppelhaushaltes 2004/2005 standen noch 500.000 Euro. Gegen eine Stimme der FDP wurde der Posten auf Null gesetzt – ohne Einspruch durchlief er die Landtagsberatungen Ende Januar.

Die grüne Ausschusssprecherin Ute Koczy stimmte zu, gleichwohl findet sie ihre Entscheidung „sehr bedauerlich“. Die Fahrten hätten einen „hohen Lerneffekt“, allerdings seien sie nicht mehr so stark nachgefragt. Auch Ralph Fleischhauer vom Jugendministerium sagt, die Entscheidung sei „nicht leichten Herzens“ gefallen. Man habe sich beim Landesjugendplan – der von 90 Millionen auf 78 Millionen Euro abgespeckt wurde – von einer Linie leiten lassen: „Da wo Strukturen gefährdet sind, haben wir von Streichungen abgesehen.“ Gedenkfahrten könnten auch anders gefördert werden: „Das wir diesen Posten streichen, heißt nicht, dass die Fahrten nicht mehr stattfinden können“.

Organisatoren von Gedenkfahrten sehen das anders. Heiko Hamer vom Dortmunder Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) hat für das laufende Jahr Zuschüsse für acht Fahrten beantragt – Jugendliche sollten nach Buchenwald reisen oder nach Amsterdam, auf den Spuren Anne Franks. „Ich bin entsetzt“, sagt Hamer. Bei den Zuwendungen handele es sich nicht um „Riesensummen“ – im letzten Jahr wurden rund 150.000 Euro von den Veranstaltern abgerufen. In diesen klammen Zeiten werde es jetzt sehr schwer, andere Sponsoren zu finden. Ein Arbeitsschwerpunkt des IBB sei damit in Gefahr.

Auch für die Freiberuflerin Hannelore Steinert aus Düsseldorf ist die Streichung „wirklich übel“. Gerade sitze sie an der Finanzierung einer Fahrt ins polnische Lodz. Bislang hat sie fest mit bis zu 60 Prozent der Fahrtkosten und bis zu 20 Euro Tagegeld pro Teilnehmer gerechnet. „Das sind keine touristischen Ausflüge“, sagt Steinert, man wandele etwa auf den Spuren deportierter Düsseldorfer Bürger: „Authentische Orte zu besuchen, Zeitzeugen zu treffen, ist wichtig“, die Fahrten dienten dazu, bei Jugendlichen Vorurteile abzubauen.