: Lolle rennt …
… und sucht den Vater. „Carl und das Mädchen vom Markt“ bei Atze will bestimmt keine Kinder-Verarsche sein
Wo der Wedding am tiefsten ist, zwischen Müllerstraße und Virchow-Krankenhaus, wird verdienstvolles Kindertheater gemacht. Im riesigen Max-Beckmann-Saal in der Luxemburger Straße residiert das Atze-Kindertheater. Und hier, auf der als Markt gebauten Bühne, begegnet Carl der Straßenmusiker dem Mädchen Lolle.
Verhandelt wird in dem Musical von Thomas Sutter nicht weniger als das große schreckliche Familienthema: Trennungskinder. „Lolle rennt – Carl und das Mädchen vom Markt“ erzählt die Geschichte vom Vater, dem das Kind amputiert wurde; von Lolle, deren Vater seit Jahren abgängig ist. Der Plot, nämlich dass diese beiden zusammengehören, dass sich hier Vater und Tochter nach Jahren wiederfinden, wird bald klar. Aber wie das Atze-Ensemble diese an sich banale Geschichte erzählt, ist vor allem hörenswert.
Jede Menge Lieder hat Thomas Sutter geschrieben: vom beschaulichen Song bis zum Mitklatsch-Lied zum guten Ende der Geschichte. Nicht unerheblich für das überschwängliche Lob des kindlichen Publikums für die Inszenierung.
„Lolle rennt“ ist keine Kinder-Verarsche. Und das ist wirklich viel angesichts unzähliger Kommerzproduktionen, die den Berliner Theatermarkt für junges Publikum verstopfen. Dass Autor Thomas Sutter das Bild vom abgewiesenen emotionsgeplagten Zahlvater zeichnet, die Mutter wiederum als rationale kaltherzige Person erscheinen lässt, ist womöglich eine Frage des Geschlechterstandpunkts. Es reicht eben schon lange nicht mehr, für sein Kind etwas zu fühlen. Die Tochter/der Sohn braucht dauerhafte Zuwendung, über den wochenendlichen Zoobesuch hinaus. Und dass getrennte Eltern zu diesem Thema die schauerlichsten Dramen inszenieren, ist für viele Kinder trauriger, gelebter Alltag. Schon deshalb ist „Lolle rennt – Carl und das Mädchen vom Markt“ verdienstvoll. AM