Die Leber des Philosophen

Wie sich der Körper im Raum verhält und wie es Gottfried Wilhelm Leibniz bei seinen philosophischen Spekulationen über die „fensterlose Monade“ mit der Leiblichkeit gehalten hat: Ulrike Grossarths Installation „Leibnizprojekt“ in der Galerie Zwinger

von KATJA REISSNER

Ulrike Grossarth lässt sich gerne von kulturphilosophischen Entwürfen anregen. 2001 etwa entwarf sie zur Ausstellung „Eine Barocke Party – Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst“ in der Kunsthalle Wien die Installation „Leibnizprojekt“. In leicht veränderter Version ist diese Arbeit jetzt in der Zwinger Galerie zu sehen: Von der Decke abgehängte Reifen, Astwerk und freischwebende Ketten aus Kugeln bilden den Rahmen für hängende und lagernde Formen aus flexiblen Materialien, als hätte man es mit verfremdeten und vergrößerten Organen zu tun. Ein leicht plätscherndes Geräusch ist dem Raum unterlegt und fasst sie auf der Soundebene zusammen.

Ulrike Grossarth geht in ihren Kunstprojekten prinzipiell von der Aktion des Körpers im Raum aus. Dies ist ihr Maßstab für die Vorstellung und das Bewusstsein. Sie reflektiert ihren Ansatz in Zeichnungen und Raumanordnungen. „Bau I“ auf der documenta X, 1997, zeigte Tische mit alltäglichen Gebrauchsgütern und Projektoren, die historische Schwarzweißaufnahmen von Käuferschlangen vor Lebensmittelgeschäften an die Wände warfen. Geometrische Formen aus Gips und farbige Folien verspannten alle Elemente miteinander und hoben sie von der konkreten Anschauung der Gegenstände in eine systematische Ordnung. Dort hatte Grossarth über die ideologische Besetzung des Körperbegriffes während des Nationalsozialismus nachgedacht, aber nicht Thesen illustriert, sondern die Beziehung zwischen Readymades und medialen Bildern durch die quasi abstrakten Formen und Farbfolien in der Schwebe gehalten. Bei Gottfried Wilhelm Leibniz interessieren sie dessen philosophische Spekulationen zur „Monade“. Diese ist eine nur mit sich selbst identische Einheit, in ihrer höchsten Form die göttliche Urmonade. In Leibniz’ Satz „Die Monade ist fensterlos“ drückt sich die Undurchlässigkeit dieser Ureinheit aus, die nichts von sich lassen, aber auch nichts von außen in sich aufnehmen kann.

Es ist kurios, sich das konkret vorzustellen. Grossarth fragt sich, ob die Monade so etwas wie ein Körper sei und wie generell das Verhältnis von Leibniz zur Leiblichkeit hätte aussehen können. Die Frage ist nicht zu beantworten, aber in ihrer Installation spekuliert Grossarth darüber, als wolle sie den Möglichkeiten einen Körper verleihen.

In der Perspektive des Universalgelehrten Leibniz gab es keine Trennung von Artefakten und Naturphänomenen. Die Ding- und die Zeichenwelt waren durchlässig, und metaphysische Spekulation und präzise Wissenschaft interagierten miteinander. Leibniz arbeitete im 17. Jahrhundert an einer Universalsprache und war davon überzeugt, die Welt erklären und ordnen zu können.

Grossarths Ansatz ist grundsätzlich anders: Er basiert auf dem Experiment und der Versuchsanordnung im Raum. Sie will nicht spekulieren, sondern ihre Überlegungen von konkreten Aktionen ausgehen und wiederum in sie übergehen lassen. Für sie gibt es nur Situationen auf Zeit. Insofern ist die Installation, die an die Formensprache einer Louise Bourgeois oder Eva Hesse erinnert, erstaunlich weit „subjektiv“ durchgeformt. Grossarth will sozusagen eine umfassende Aussage machen, die die ganze Existenz betrifft, selbst wenn kein „Welttheater“ barocken Zuschnitts daraus entstehen kann.

Bis 26. April, Gipsstraße 3, Mitte, Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–17 Uhr