Schocke Papa

Zuckerbrot und Peitsche, sugarbread and whip, la vache, qui rit, dürüm döner: Wie die Hannemanns Ostern feiern

Ostersonntag bei uns zu Hause war immer so ’ne Sache – du wusstest nie: Gibt’s jetzt Eier oder nicht? Meistens gab’s keine, doch wir standen jedes Jahr pünktlich um elf hoffnungsfroh im Garten; mein Bruder, meine Schwester und ich – dazu Mama und Papa. „So – jetze sucht mal schön“, pflegte Papa den Startschuss zu geben und wir rannten aufgeregt umher. „Beim Nachbarn is diesmal auf jeden Fall nichts“, wieherte Papa sein wieherndes Lachen, für das er wahlweise „Galopper des Jahres“ genannt wurde oder „Schocke“ – das kam von Schockemöhle.

Wie erwartet fanden wir zunächst keine Eier. Papa hatte seine Prinzipien: „Ohne Fleiß kein Preis“, wieherte er, „no pain, no gain“, „bez pracy nie ma kolaczy“ und, wie der Papst, noch in achtzig weiteren Sprachen – schließlich war Ostern. Dann drückte er jedem von uns, „sucht schön“, einen Klappspaten in die Hand und wieherte und wieherte …

Das kannten wir schon zur Genüge – irgendjemand musste ja im Frühjahr die Beete umgraben, damit später der Pupskohl ordentlich wuchs. Gewöhnlich fanden wir dabei nur irgendwelchen Müll, zweimal aber auch menschliche Skelette. Da Papa nicht blöd war, hatte er, um die Motivation gleichmäßig hochzuhalten, tatsächlich alle paar Jahre auch mal das eine oder andere Ei verbuddelt. „Zuckerbrot und Peitsche“, pflegte er das zu nennen, „sugarbread and whip; la vache, qui rit; dürüm döner …“ – au, konnte der Mann nerven!

Wir gruben im Schweiße unseres Angesichts den Garten um: Kein Ei, kein Schokohase, nichts. Meine Schwester fand nach einer halben Stunde immerhin noch das Gerippe einer Bisamratte – könnte aber auch ein Hase gewesen sein. Davon ermutigt gruben wir weiter, fast bis zur völligen Erschöpfung. Mama wischte sich verstohlen ein paar Tränen aus den Augenwinkeln, während Papa uns anfeuerte: „Kalt“, sagte er, „wärmer … heiß … ganz heiß …“ Wir gruben mit Feuereifer – ohne Resultat. Irgendwann verkündete Papa den Richterspruch: „Dieses Jahr keine Eier!“ Laut schluchzten wir auf, während er fast übergangslos in die altphilologische Phase hinüberglitt: „Alea iacta est; tempora mutantur; taverna dimokritos …“

Die Begeisterung über den eigenen Wissensschatz trieb ihn so meilenweit fort, dass er alles andere um sich herum vergaß. Diesen kurzen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte die mitleidige Mama, um jeden von uns hinter seinem Rücken heimlich ein hart gekochtes Ei vom vorigen Jahr zuzustecken. Dankbar schluckten wir unsere Tränen herunter: Ostern war gerettet.

ULI HANNEMANN