Indien und Pakistan: Reden statt schießen

Indien und Pakistan nehmen wieder Verhandlungen auf, die lange dauern und schwierig werden dürften

DELHI taz ■ Erstmals seit fast sechs Jahren haben Indien und Pakistan gestern Gespräche am runden Tisch begonnen. Eine Delegation hoher indischer Beamter traf am Sonntag in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein. Sie nehmen in den nächsten drei Tagen den Faden wieder auf, der im Oktober 1998 nach Gesprächen auf Staatssekretärsebene gerissen war.

Dazwischen liegen drei Gipfeltreffen, von denen aber erst das jüngste zwischen Indiens Premier Atal Behari Vajpayee und Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf den Dialog wieder in Gang brachte. Beide hatten sich zu Jahresbeginn geeinigt, alle bilateralen Probleme einschließlich Kaschmirs anzusprechen. Der seit November 2003 bestehende Waffenstillstand sowie Musharrafs Zusicherung, von Pakistan aus keinen Terror gegen Indien zuzulassen, ebneten den Weg.

Gestern begannen Verhandlungen auf Beamtenebene, die vor allem Gespräche über Gespräche sind. Sie sollen die Themen sowie deren Strukturierung und zeitliche Staffelung klären. Es wird angenommen, dass die 1997 erarbeitete Agenda „Sechs plus zwei“ beibehalten werden soll – acht Themen, von denen zwei, Kaschmir sowie Frieden und Sicherheit, einen besonderen Stellenwert haben. Die anderen Themen sind wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen, Terrorismus/Drogen sowie drei alte Zankäpfel: die Demarkierung der Grenze am Sir Creek in Gujarat/Sind, der Bau eines Wehrs am Jhelum-Fluss sowie die Frontlinie am Siachen-Gletscher.

Der vorsichtige Beginn zeigt, dass sich beide Seiten auf lange Verhandlungen einstellen. Damit sind sie weit von den Plänen entfernt, die ihnen beim missglückten Gipfel von Agra vorschwebten, als sie vierteljährliche Treffen zwischen Staatssekretären, halbjährliche zwischen den Außenministern und jährliche Gipfel vorsahen. Vor allem Pakistan hatte bisher vertreten, dass eine Einigung über Kaschmir rasch gefunden werden muss und dafür politische Gespräche auf höchster Ebene der beste Weg seien. Die Erfahrungen der letzten drei Jahre – die weitere „Terrorisierung“ der kaschmirischen Guerilla, die Eskalation an den Rand des Kriegs, die internationale Ächtung des Terrors und die diesbezügliche Isolierung Pakistans – haben aber auch Musharraf zum Pfad der Geduld zurückgeführt.

BERNARD IMHASLY