Die zweite Garde bei Garners erster Konferenz

Der künftige Chef der US-Zivilverwaltung versammelt eine handverlesene Schar Iraker. Einige Exil-Iraker protestieren

BERLIN taz ■ „12. Safar 1424, Tag 1 des neuen Irak“ – so könnte der gestrige Tag in die irakischen Geschichtsbücher eingehen. Wenn alles gut geht. Am Dienstag hat der amerikanische General a. D. Jay Garner eine handverlesene Schar von Irakern im südirakischen Nassirija zu einem Treffen eingeladen, um über Schritte zur Bildung einer Übergangsregierung zu beraten. Doch schon im Vorfeld kam es zum Eklat. Der „Hohen Rat für die Islamische Revolution im Irak“ (Sciri), der nach eigenem Bekunden für die Mehrheit der irakischen Schiiten spricht, sagte seine Teilnahme ab. Diese Konferenz bringe der irakischen Nation nichts, schimpfte ihr Sprecher in Teheran. „Wir akzeptieren weder eine US- noch sonst eine Kontrolle.“ Auch Ahmed Chalabi vom Irakischen Nationalkongress (INC) blieb fern. Chalabi, dessen Rolle innerhalb der Bush-Administration umstritten ist, hat aber einen Vertreter geschickt. Aus dem Umfeld des INC heißt es, man plane eine eigene Konferenz in Bagdad.

Zu dem Treffen wurden etwa 75 Vertreter verschiedener Oppositionsparteien, Exilanten, aber auch geistliche Würdenträger und Stammeschefs erwartet. Darunter die beiden großen kurdischen Parteien, KDP und PUK, ehemalige Offiziere und Mitglieder der bislang herrschenden Baath-Partei. Auch das 1958 gestürzte Königshaus war vertreten. Im Großen und Ganzen also genau die Gruppen, die bereits bei der Konferenz über die Zukunft des Irak im Dezember in London beteiligt waren. Geschickt haben die Gruppierungen allerdings eher die zweite Garde.

Für Unmut sorgte die angekündigte Teilnahme von Mitgliedern der Baath-Partei. Besonders der INC hat sich die Entbaathifizierung der irakischen Gesellschaft zum Programm gemacht. Die Entwicklungen in Bagdad, wo auch hochrangige Offiziere der gefürchteten Sicherheitspolizei für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung rekrutiert worden sind, scheinen aber darauf hinzuweisen, dass man es damit auf Seiten der Besatzungsmacht nicht allzu eilig hat. Während Vertreter der britischen, australischen und polnischen Streitkräfte geladen waren, blieb die UNO auch in Nassirija außen vor.

Geleitet wurde das Treffen von Jay Garner, dem künftigen Chef der amerikanischen Zivilverwaltung im Irak, der in den vergangenen Wochen bereits eine Schar von Exilirakern um sich geschart hat. Diese gut ausgebildeten Technokraten sollen Garner und seinem Stab beim Wiederaufbau des Landes beratend zur Seite stehen. In den nächsten Wochen und Monaten werden sie sich vor allem Fragen der Öleinkünfte, dem Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, einer neuen Währung, aber auch der Bildung und einer Gerichtsbarkeit sowie der Ausarbeitung einer neuen Verfassung widmen.

Wie ein Mantra haben US-Vertreter vor dem Treffen in Nassirija wiederholt, dass die Regierungsgewalt so schnell wie möglich an die Iraker übertragen werden soll. Welcher Personenkreis dafür in Frage kommt, soll in weiteren Regionalkonferenzen vor einer großen Konferenz in Bagdad ausgelotet werden. Wie das Nassirija-Treffen zeigt, setzt man dabei auch auf Stammeschefs. Obwohl sich unter ihnen viele Regimegegner finden, hat sich in Kurdistan gezeigt, dass ihnen Stammesinteressen wichtiger sind als Demokratie.

Einen Vorgeschmack darauf, was Demokratie im Irak künftig bedeuten könnte, erhielt Garner am Dienstagvormittag. Mehrere tausend Menschen versammelten sich zu einer Demonstration. Ihre Slogans: „Ja zur Freiheit, Ja zum Islam, Nein zu Amerika, Nein zu Saddam.“ INGA ROGG