Wer Bremen in die Pleite ritt

Der Bremer Senat will die Verträge mit der Bremer Galopprennbahn kündigen. In den letzten zehn Jahren, in denen der Rennsport niederging, hat Bremen dort 20 Millionen Euro investiert. Der Ausstieg könnte noch einmal 16 Millionen kosten. Ist jemand verantwortlich für das komplizierte Vertragswerk, das so sehr zu Ungunsten der Stadtgemeinde verfasst ist?

Positive fiskalische Effekte resultieren aus der Zockerei an der Rennbahn kaum: Während die Spielbank und die Lotto-Gesellschaften satte Steuern abführen, muss die „Totalisatorensteuer“ aus den Renn-Wetten den Rennvereinen „zu Zwecken der öffentlichen Leistungsprüfung für Pferde“ zur Verfügung gestellt, wie es in dem immer noch gültigen Gesetz von 1922 heißt. 1999 waren es 560.000 Euro, die der Rennverein zusätzlich zu allen staatlichen Förderungen in Gestalt der „Totalisatorensteuer“ bekam, im Zuge des Rückgangs der Wettumsätzen hat sie sich mittlerweile mehr als halbiert. KW

VON KLAUS WOLSCHNER

Die Kurven gehen seit dem Jahre 2000 kontinuierlich nach unten – der deutsche Galopprennsport befindet sich im freien Fall. Die Anzahl der Galopprennen hat sich halbiert seit dem Jahre 2000, der für die Rennplätze relevante Wettumsatz ist noch stärker gefallen, in Bremen von bald vier Millionen Euro im Jahre 2000 auf weniger als eine Millionen in 2008. „Existenzbedrohend“ sei die negative Entwicklung für den Rennsport, stellt das Wirtschaftsressort jetzt fest. Diese Entwicklung ist aber seit 2000 absehbar und vielfach prognostiziert worden. Der Mäzen des Bremer Rennsports, Andreas Jacobs, hatte offenbar eine gute unternehmerische Nase, als er 1999 erklärte, er werde die Defizite des Bremer Galopprennsport nicht weiter mittragen.

Als Jacobs ausstieg, stieg die Stadtgemeinde Bremen voll ein – ohne Reißleine, ohne Risikobegrenzung. Das Ergebnis: Während der Rennsport „existenzbedrohend“ daniederliegt, verfügt Bremen über eine moderne Anlage. Rund 20 Millionen Euro hat Bremen seit 1999 „investiert“. Eine glatte Fehlinvestition.

Wirtschaftspolitiker wie Klaus Möhle von den Grünen oder Max Liess von der SPD haben seit Jahren gefordert, die Zuschüsse für die Rennbahn zu reduzieren. Das sei wegen der komplexen vertraglichen Verpflichtungen nicht möglich, hat CDU-Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek noch 2006 erklärt. Ein Geflecht aus 12 Verträgen bindet Bremen – kunstvoll verwoben zum Nachteil der Staatskasse. Da die Defizite des Rennvergnügens nicht geringer werden, zogen Möhl und Liess – inzwischen Koalitionspartner – jetzt die Reißleine. Auf 16 Millionen Euro schätzen die Experten aus dem Wirtschaftsressort, die die Verträge gemacht haben, das Risiko ihres Werkes.

Ohne Kündigungs-Option

Zum Beispiel 1979: Da verkaufte der Rennverein das Gelände – 40 Hektar – für 2,9 Millionen Euro an die Stadtgemeinde und leiht es seitdem zurück. Bremen verpflichtete sich zudem, alle Kosten der „Unterhaltung des Grundstücks und der Baulichkeiten als Grundlage zur Durchführung von Rennen und Trainingsbetrieb“ zu zahlen. Darauf hat der Rennverein seitdem einen verbrieften Anspruch – eine ordentliche Kündigung ist in dem Vertrag nicht vorgesehen. Verantwortlich damals: SPD-Wirtschaftssenator Dieter Tiedemann.

Bremen geht in die Vollen

1999, als Jacobs ausstieg, übernahm Bremen 60 Prozent der Bremer Rennbahn-GmbH und damit unternehmerische Verantwortung – und ließ sich das etwas kosten. 1999 standen 812.000 Euro laufende Ausgaben durch die Rennbahn in den Büchern der Staatskasse und dazu 760.000 Euro an Investitionszuschüssen. Jahr für Jahr ging das so. Allein die laufenden Zuschüsse summieren sich in den neun Jahren von 1999 bis 2008 auf 9,2 Millionen Euro.

Ob Hartmut Perschau Wirtschaftssenator war oder Josef Hattig spielt keine Rolle, die Regie führte Staatsrat Frank Haller. Lediglich Anfang der 90er Jahre, zu Zeiten von Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) war Haller einmal die Zuständigkeit für die Rennbahn entzogen worden, weil Jäger einen Interessenkonflikt sah: Die Ehefrau Hallers hielt Pferde, die in Bremen an Rennen teilnehmen. Später jedoch wurde Haller sogar Aufsichtsratsvorsitzender des Rennvereins. Jäger konnte sich nicht durchsetzen, und seit 1995, als Perschau (CDU) Wirtschaftssenator der damals gebildeten großen Koalition wurde, gab es solche Bedenken gegenüber Hallers Leidenschaft nicht mehr.

Musical-Theater, Ocean Park, Space Park, Galopprennbahn – der großen Koalition war Recht, was wie eine „Investition“ aussah und Geld kostete. Mehr als 100.000 Besucher pro Saison prognostizierte Hallers BAW-Institut von noch 2003. Als das Wirtschaftsressort im November 2004 – Senator war damals gerade Peter Gloystein (CDU) – einräumen musste, dass die Haller’schen Zuschauer-Prognosen nicht erreicht wurden, war flugs eine Erklärung zu Hand: Umbaulärm und fehlende Werbung seien die Ursache.

Dass der Bremer Rechnungshof die Wirtschaftsförderer darauf aufmerksam machte, dass staatlich finanzierte Investition in die neue Trainingsrennbahn in jeder Hinsicht unwirtschaftlich sei, störte niemanden: Acht Millionen Euro Zuschuss hatte Bremen offiziell gegeben, das neue Grundstück für die Trainingsbahn irgendwie kostenlos – das habe aber einen Wert von neun Millionen Euro, erinnerte der Rechnungshof.

Dass das Steuergeld für die Galopprennen gut angelegt sei, hat Haller 2005 in einem Schreiben, in dem es um die Kosten der Trainingsanlage ging, so begründet: Bedauerlicherweise würde diese Investition weiterhin „diffamiert“. Dabei übersehe „die von sozialistischer Gleichmacherei getragene Gutmensch-Ideologie, dass dieses Projekt auf alle Schichten der Bevölkerung gerichtet ist“.

Subventionen für Zech

Wenn es jetzt zur Kündigung der Verträge und zu Schadensersatz-Forderungen kommt, droht die höchste Summe noch aus einer ganz anderen Ecke: Das von dem Bauunternehmer Kurt Zech erbaute Hotel Atlantik an der Rennbahn könnte Schadensersatz bis zu neun Millionen einklagen, heißt es in internen Papieren des Wirtschaftsressorts. Die hohe Zahl sollte einmal mehr belegen, dass Bremen aus der Falle der Rennbahn-Verträge eigentlich nicht herauskommt.

Richtig ist allerdings: Der Rennverein hat im Vertrauen auf seine unkündbaren Verträge mit der Stadt die von der Zech-Gruppe gebaute Tribüne vorsorglich bis zum Jahre 2077 angemietet. Für die Renntage sind große Bereiche des Hotels pauschal angemietet – auf 25 Jahre hat die Renngesellschaft sich verpflichtet, jährlich 114.000 Euro zu bezahlen. Im Grunde ist so etwas eine verdeckte Subvention.

Wirtschaftssenator im September 2003: Hartmut Perschau. Wenn es zu Schadensersatzforderungen kommt, werden aber alle, die verantwortlich sind für Verträge zu Ungunsten der Stadtgemeinde Bremen, nicht mehr verantwortlich sein.