SPD-Linke bleibt grade

Reformkritiker lassen sich nicht einschüchtern: SPD-Parteitag soll keine Jubelveranstaltung werden. Auch Abgeordnete lehnen Reformpläne ab und halten an Mitgliederbefragung fest

BERLIN taz ■ Die Einberufung eines Sonderparteitags am 1. Juni hat die Gemüter in der SPD keineswegs beruhigt. Im Gegenteil: Der innerparteiliche Streit zwischen Befürwortern und Gegnern des Reformprogramms der Bundesregierung spitzte sich gestern weiter zu. Trotz aller Appelle der Parteispitze hielten die Reformkritiker in der SPD-Bundestagsfraktion daran fest, ein Mitgliederbegehren zu unterstützen, das die Kürzungen bei den Sozialleistungen kategorisch ablehnt. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering warnte deshalb vor einem „Handlungsstillstand“ von bis zu sechs Monaten. Sollten die reformkritischen Abgeordneten hart bleiben, droht Gerhard Schröder der Verlust der Kanzlermehrheit im Bundestag.

Entsprechend nervös bis ungehalten reagierte die Fraktionsspitze. „Ich empfinde das als eine Attacke, die dilettantisch ist“, sagte Müntefering über das Vorgehen der Kritiker. Nach einem Treffen mit sechs der zwölf Fraktions-„Rebellen“ konnte der Fraktionschef lediglich feststellen: „Nein, sie haben in der Sache nicht eingelenkt.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, warnte vor einer ähnlichen Entwicklung wie 1982, als der damalige Kanzler Helmut Schmidt den Rückhalt in der Partei verlor. Den Kritikern warf er vor, „die SPD als Institution in Gefahr zu bringen“.

Kanzler Schröder zeigte sich dagegen überzeugt, dass der Parteitag seine „Agenda 2010“ unterstützen werde. Sie sei notwendig, um die Substanz des Sozialstaates zu erhalten: „Deswegen muss sie so, wie ich sie am 14. 3. im Bundestag vorgestellt habe, auch umgesetzt werden.“

Gegner und Befürworter des Reformpakets hielten sich gegenseitig Kompromisslosigkeit vor. „Es ist ein Begehren: alles oder nichts“, schimpfte Müntefering. Umgekehrt zeigten sich zahlreiche Reformkritiker empört, dass Schröder die Abstimmung über die Agenda 2010 zu einer Vertrauensfrage machen wolle. „Das ist eine Einschüchterungsstrategie“, sagte die Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, der taz. Ein Parteitag mache nur Sinn, „wenn man auf ihm einen Konsens finden kann“. LKW

inland SEITE 8