Grüne Angst vor Sonderparteitag

Landespolitiker der Grünen drängen die Bundesspitze ihrer Partei zu einer harten Haltung beim Hanau-Export und den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz

Katrin Göring-Eckardt will „alle Möglichkeiten ausschöpfen“, um den Export von Hanau zu verhindern

BERLIN taz ■ Einmal über den Tag hinaus denken. Eine grüne Strategie für den Wahlmarathon 2004 entwerfen. Ein schönes Papier beschließen mit „13 Reformaufgaben, auf die wir uns in diesem Jahr konzentrieren“. Zu diesem Zweck hatte der grüne Bundesvorstand gestern die Chefs der Landesverbände nach Berlin geladen. Doch so richtig wollte es nicht klappen mit der Konzentration auf neue Reformprojekte.

Schon nach wenigen Minuten gab es Streit. Eine Gruppe, die sich als Vertretung der Linken sieht, beschwerte sich bei Parteichef Reinhard Bütikofer, weil er sein Papier erst kurz vor der Sitzung präsentierte. Die Kritiker um Jürgen Trittin, Claudia Roth und NRW-Landeschef Frithjof Schmidt hätten „einen kleinen Machtkampf“ ausgefochten, hieß es aus der Berliner Grünen-Führung. Schließlich einigte sich man auf ein paar, nicht allzu schwer wiegende Korrekturen.

Zukunftsthema Nummer eins bleibt die Bürgerversicherung. Auf dem Papier folgen Klimaschutz, die Energiewende und „mehr Innovation“ als grüne Wahlkampfknüller. Im Mittelpunkt der gestrigen Diskussion standen jedoch vor allem zwei Probleme, die den Abgesandten aus den Ländern derzeit viel mehr unter den Nägeln brennen: der drohende Export der Hanauer Plutoniumfabrik und die Sorge vor einem faulen Kompromiss bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz.

Offenbar hatten einige Landespolitiker Bedenken, ob ihre Bundesspitze ernst nimmt, wie sehr die Basis diese beiden Themen umtreibt. „Wenn das Gefühl dafür hier noch nicht da war“, so NRW-Schmidt zur taz, „so ist es mit Sicherheit nach dieser Sitzung da.“ Bütikofer und seine Chefkollegin Angelika Beer jedenfalls gaben zu verstehen, dass die Botschaft ankam. Grünes Ziel bleibe es, den Hanau-Export „politisch zu verhindern“, sagte Beer. Im Moment gebe es aber „keinen neuen Stand“. Außenminister Joschka Fischer hatte im Parteirat offen gelassen, zu welchem Ergebnis die rechtliche Prüfung der Exportgenehmigung für Siemens führen werde. Beer betonte, der Export von Nukleartechnik sei „natürlich auch eine Frage der Menschenrechte und der Energiepolitik“. Bütikofer versprach, „dass die Bundespartei alle Möglichkeiten nutzt, diesen Export, wenn es geht, zu verhindern“. Und wenn es nicht geht? Dann droht möglicherweise ein Sonderparteitag. Dass es dazu bereits „einzelne, konditionierte Beschlüsse“ von grünen Kreisverbänden gibt, wird von der Führung ernst genommen. Schon 10 Prozent der Grünen-Mitglieder könnten einen Sonderparteitag erzwingen.

Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der taz: „Ich verstehe, dass das die Kreisverbände sehr beschäftigt und bewegt – das tut es uns auch.“ Hanau sei „ein wichtiges Identifikationsthema“. Man werde „alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Export zu verhindern“.

Auch bei der Zuwanderung drängten die Landesgrünen darauf, hart zu verhandeln. In ihrem Papier legten sich die Grünen fest, dass es in allen drei Teilen des Gesetzes „einen Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage“ geben müsse: bei Arbeitsmigration, Flüchtlingsschutz und Integration. LUKAS WALLRAFF