Acht mal Harry Potter ist keine Vision

Trotz stimmiger Besucherzahlen schließt am 30. April das Neue Filmstudio am Herdentorsteinweg. Der Hauptgrund ist die hohe Miete. Die Folge wird sein, dass es in Bremen weniger Bundesstarts und schnellere Filmwechsel geben wird. Auch für kleinere Filmverleiher ist der Verlust der Spielstätte bitter

„Das Sterben der kleinen Kinos löst einen Verdrängungs-wettbewerb aus“

Ende April ist es soweit. Das Filmstudio am Herdentorsteinweg wird seine Pforten schließen. Kino seit 1957, teilt es damit das Schicksal von Europa, U.T., Ufa und Stern, die in jüngerer Vergangenheit ebenfalls die Rollläden herunterlassen mussten. „Ein weiterer, trauriger Höhepunkt der Multiplex-Kino-Phase“, urteilt der Kino-Fachmann und Mitarbeiter im Kommunalkino Alfred Tews. Auch wenn für ihn der Verlust des Europa als einem der großzügigsten und schönsten Fimtheater am ärgsten war: „Auch um das Filmstudio ist es 1-A-schade“.

Und das in 1-A-Lage. Inmitten der City, zwischen Bahnhof und Fußgängerzone ist zwar die Nachbarschaft nicht die alleredelste – aber das Zentrum hat dennoch seinen Preis. Manfred Brocki, Chef der Schauburg Kino GmbH, zu der auch das Filmstudio gehört, macht vor allem die hohe Miete für seinen Entschluss verantwortlich: „Für die Schauburg am Ostertorsteinweg mit zwei größeren Sälen und einem Café zahle ich weniger“, so der Geschäftsmann. Insofern sei das Argument, im Filmstudio habe es zu wenig Besucher gegeben, nicht ganz richtig. Mit dem Film Moonlight Mile, der zurzeit dort läuft, habe man in den letzten beiden Wochen bundesweit auf Platz zwei und drei bei den Besucherzahlen gelegen. Für Brocki ein Beweis: „Das Kino läuft.“

Dennoch stünden die Einnahmen nicht mehr im Verhältnis zu den Ausgaben. Als vor einem knappen Jahr ein neuer, langfristiger Mietvertrag abgeschlossen werden sollte, hat Brocki daher die Segel gestrichen: „Das Risiko ist einfach zu groß geworden, schließlich kommt im Herbst auch noch ein neuer Konkurrent auf den Markt.“

Brocki spielt auf die Eröffnung des Space Park an. Mit den dort vorgesehenen 11 Kinosälen wäre nach dem Cinemaxx und dem Kristallpalast das dritte Multiplex-Kino auf dem Markt. Und auch wenn für den Gröpelinger Riesen noch kein Betreiber gefunden wurde: „Das Kino wird eröffnen“, ist Brocki sich sicher, zur Not werde die Space Park GmbH selber das Kino betreiben.

Die Großen machen die kleinen kaputt – das ist in der Kinobranche keine Neuigkeit. Dabei hatte das Filmstudio vor fünf Jahren noch Glück, dass Manfred Brocki es in seine Geschäftsstrategie eingebunden hat. Der vorige Besitzer, die Münchner Gesellschaft Studio Filmtheater wollte nämlich auf keinen Fall weitermachen. Brocki aber entwickelte damals gemeinsam mit dem Chef des City-Kinos einen Gegenpart zu den Multiplexen und erwarb neben dem Filmstudio auch die Gondel in Schwachhausen. „Wir können mit dem Cinemaxx mithalten, das war damals unser Motto“. Und dafür brauchte man eben auch ausreichend Kinosäle in Bremen, um den Filmverleihern einerseits genügend termingemäße Bundesstarts anbieten zu können, und andererseits eine angemessene Laufzeit zu erzielen. Dass etwa Filme wie „Der Pianist“ von Roman Polanski oder „Bowling for Columbine“, der schräge Dokumentarfilm über Amerikas Waffenversessenheit, dort über 20 Wochen laufen, sollte die Ausleihe solcher Filme eigentlich rentabel machen. Es ist aber ganz nebenbei auch ein Segen für die Leute, die nicht schnell genug schalten und Filme, die nur drei Wochen laufen, verpassen.

So wird also der gemeine Kinobesucher in Zukunft mit schnelleren Wechseln leben müssen. Und er wird weniger Bundesstarts erleben. „Wir haben hier zum Beispiel den deutsch-russischen Film ‚Russian Arc‘ liegen, der am 1. Mai Bundesstart hat, aber ich habe kein Kino, um ihn zu zeigen. Jetzt startet der Film am 12. Juni in der Gondel.“

Was auf den ersten Bilck so schlimm nicht klingt – kommt der Film eben einen Monat später ins Kino – ist in Wahrheit ein schleichender und gefährlicher Prozess: „Das Sterben der kleinen Kinos löst einen Verdrängungswettbewerb aus“, weiß Kommunalkino-Mitarbeiter Tews. Schon jetzt träten Filmverleiher wegen Erstaufführungen an sie heran. „Und das ist eigentlich nicht unser Kerngeschäft“. Je weniger Kinos auf dem Markt sind, die nicht nur die Kassenschlager aus den USA, aus Frankreich oder Deutschland spielen, umso weniger Chancen für die kleineren Verleiher, ihre Filme loszuwerden. Eine Konkurrenz der Kommunalkinos etwa zu den Häusern von Brocki gebe es „überhaupt nicht“, so Tews. Im Gegenteil: „Uns tut es leid um das Filmstudio, das sich in den letzten Jahren sehr gemausert hat – denn unser Interesse ist es, dass in Bremen viele Filme gezeigt werden“, beschreibt er den kulturpolitischen Ansatz des Kommunalkinos. „Acht mal Harry Potter zugleich in Bremen – das ist nicht unsere Vision.“

Ein paar Markenzeichen des Filmstudios hat Manfred Brocki indes in die neue Zeit herübergerettet. So zum Beispiel die ehemals im Herdentorsteinweg beheimateten O-Ton-Vorführungen, die schon seit einer ganzen Weile in die Schauburg wechselten. Zur großen Erleichterung der Filmfreunde. Elke Heyduck

Abschlussparty „Alles muss raus“ am 30. April