Baukunst contra Stadt Bremen

Der Umbau der Stadthalle kommt vor den Kadi: Der Wiener Architekt Roland Rainer klagt wegen Urheberrechtsverletzung. Durch eine Erweiterung werde die Halle „zu einer Karikatur ihrer selbst“. Die Erhaltungs-Initiative legt 150 Unterschriften vor

taz ■ Der Wiener Architekt Roland Rainer hat vor dem Bremer Landgericht Klage gegen den geplanten Umbau der Stadthalle eingereicht. Die Erweiterung verletze sein Urheberrecht. Der Umbau drohe den Charakter seines „epochalen Werkes“ zu zerstören, sagte Rainer zur taz. Das Gebäude, das sich derzeit an den Bürgerpark „anschmiege“, sähe schrecklich aus, wenn es um acht Meter erhöht würde. Rainer: „Die Halle wird durch den Umbau zu einer Karikatur ihrer selbst.“

Ab Ende Januar 2004 sollen an der Stadthalle die Bagger anrollen. Die Beklagten, die landeseigene Hanseatische Veranstaltungs-Gesellschaft (HVG) und mit ihr die Stadt Bremen, wollen dann einen Entwurf des Bremer Architekten Thomas Klumpp umsetzen, der die Kapazität um 3.500 Sitzplätze erhöht. Für 50 Millionen Euro soll sie einen Aufsatz bekommen. Die charakteristischen Träger, die derzeit das Dach halten, werden durch den Entwurf ihrer Funktion beraubt. Stattdessen will der Architekt auf das Ganze eine Stahlkonstruktion satteln. Die derzeitige Halle sei zu klein, argumentiert die HVG. Ohne den Umbau verliere Bremen als Veranstaltungsort den Anschluss an Hannover oder Hamburg.

„Durch die geplante Veränderung wird die architektonische Grundidee der Halle entstellt“, sagte indes Rainers Berliner Anwältin Mareile Büscher. Der Abriss dürfe nicht stattfinden.

Architektenklagen wegen Urheberrechtsverletzungen sind nichts Ungewöhnliches – und oftmals von Erfolg gekrönt. So untersagte das Oberlandesgericht Frankfurt 1994 der Stadt Kassel den Abriss einer ins Nichts führenden Holztreppe, die im Rahmen der Documenta auf einem öffentlichen Platz errichtet worden war.

Auch funktional oder wirtschaftlich begründete Änderungswünsche landeten bereits vor dem Kadi. Eine Untersuchung der FH Darmstadt verweist dabei auf den Erfolg eines Architekten, der verhinderte, dass das Flachdach eines von ihm geplanten Verwaltungsgebäudes später wegen Undichtigkeit durch ein anderes Dach ersetzt wurde. Wenn die Dachkonstruktion der Stadthalle tatsächlich statische oder architektonische Besonderheiten aufweise, könnte sich das für den Kläger positiv auswirken, erklärt Karsten Meurer, Urheberrechtsexperte von der baden-württembergischen Architekten-Kammer. Und: „Ich könnte mir vorstellen, dass Professor Rainer Aussicht auf Erfolg hat.“

Das hofft auch die „Arbeitsgemeinschaft zur Erhaltung der Stadthalle“, die gestern eine Liste mit 150 Unterschriften vorlegte, die sich gegen den Umbau des 1964 eingeweihten Zweckbaus aussprechen. Die Stadthalle dürfe nicht „zur Kulisse“ verkommen, sagte Manfred Osthaus von der Arbeitsgemeinschaft und kündigte weitere Unterschriften an. Die Stadthalle sei ein „Bauwerk von europäischem Rang“, betonte Osthaus. Es stehe Bremens Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt nicht gut, wenn sie durch den Entwurf „aufgeblasen und hochgepumpt“ werde. Stattdessen schlug er den Bau einer neuen Halle vor. Osthaus: „Ich könnte mir vorstellen, den Libeskind-Entwurf für das Musicon wieder aus der Schublade zu holen.“

Die beklagte HVG konnte gestern zur Klage noch nichts sagen. Allerdings sei die aus einem Wettbewerb hervorgegangene Konzerthalle Musicon viel zu klein, um Stars wie Britney Spears oder Paul Mc Cartney nach Bremen zu holen, sagte HVG-Sprecher Torsten Haar. Solche Ideen seien „völlig abwegig“.

Kai Schöneberg