Weniger Kohle machen

RAG verkauft alle seine Auslandsbergwerke. Hierzulande fällt die Trennung von der Kohle viel schwerer

RUHR taz ■ Plötzlich hieß die Ruhrkohle AG nicht mehr Ruhrkohle AG, sondern nur noch RAG. Und jetzt wird klar: Kohleförderung steht bei der RAG auf dem Nebengleis.

Gestern bestätigte die RAG Coal International in Essen, dass sie Käufer für ihren Auslandsbergbau gefunden habe. Ein Firmenkonsortium will die verbliebenen zwölf US-Bergwerke kaufen. Zuvor kam es zu Verkaufsvereinbarungen bei den zwei australischen Bergwerken, den RAG-Anteilen in Venezuela und das US-Bergwerk Twentymille. Die Auslandsaktivitäten der RAG Coal International sollen sich damit allein auf Bergwerkstechnologie und Kohlehandel beschränken.

Jürgen W. Stadelhofer, Vorsitzender des Unternehmenszweiges, freut sich trotzdem über den Ausverkauf: „Dass wir an erstklassige Investoren veräußern könne, zeigt die hohe Werthaltigkeit unseres Engagement“ – doch werthaltig ist Steinkohleförderung nur im Ausland.

Öffentlich fragte der RAG-Chef und Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller im Sommer, ob der heimische Steinkohlebergbau für immer bei der RAG angesiedelt sein müsse. Wenn es nach dem Markt geht, wird das für immer so bleiben. Martin Schmitt, Ökonom der Uni Essen erklärt warum: „Wer kauft schon deutschen Steinkohlebergbau?“ Investoren, die etwas bezahlten, wollten etwas verdienen. Das sei im hochsubventionierten heimischen Bergbau nicht möglich. Pro Fördertonne drücke der Staat den Preis der heimischen Kohle mit 85 Euro. „Ohne Subventionen ist der deutsche Bergbau nicht darstellbar.“ Trotzdem interpretiert der Professor die überseeischen Verkäufe als Absetzbewegung von der heimischen Kohle: „Wenn RAG international als Kohleproduzent aussteigt, wird es schwer, zu begründen, warum sie am deutschen Bergbau festhalten.“

Von Abwanderungstendenzen will die Gewerkschaft IGBCE nichts hören: „Die RAG ist montanmitbestimmt“, droht Sprecher Christoph Meer. Die Steinkohleförderung werde für lange Zeit Bestandteil des RAG-Konzerns bleiben. Das habe ihnen auch Konzernchef Müller versprochen. Mit den internationalen Verkaufserlösen finanziere die RAG allein die Übernahme der Mehrheiten am Chemieriesen Degussa.

Dazu Ökonom Schmitt: „Schon heute kommen Zweidrittel des RAG-Umsatzes aus dem weißen Bereich“ – durch die Degussa öffnen sich dem Konzern ganz neue Fenster: „Das ist die Zukunft.“ CHRISTOPH SCHURIAN