Moderne Formen des Arbeitskampfs
: Journalisten bepackt mit Leffers-Tüten

Das ist fast wie Bundesverdienstkreuz und Grimme-Preis in einem: Nach Redaktionsschluss ruft der Verlags-Geschäftsführer alle Redakteure ins Foyer. Nicht alle Schreiber der in Oldenburg erscheinenden Nordwest-Zeitung (NWZ) natürlich, sondern nur die, die gerade nicht streiken. Seit zwei Wochen befindet sich über die Hälfte der 90-köpfigen NWZ-Redaktion im Ausstand, um den Tarifverhandlungen Nachdruck zu verleihen (siehe S. 18).

So kam der Verlag am vergangenen Donnerstag wohl auf die Idee, sich auch mal richtig fürs Extra-Schuften zu bedanken. Also marschierte die Rest-Belegschaft, mit Partnern sollen es gut 40 Teilnehmer gewesen sein, in Richtung Modekaufhaus Leffers, um in der Restauration des Hauses zu speisen . Der NWZ-Verleger bedankte sich, der Leffers-Geschäftsführer bedankte sich auch. Die Journalisten hätten gelungen über das 75. Leffers-Jubiläum berichtet. Durch enge Anzeigen-Kooperation ist man dem Verlag seit Jahren verbunden.

Daraufhin erhielten die Streikbrecher eine Gratifikation: Mit einem Einkaufsgutschein in Höhe von 500 Euro pro Nase ausgestattet durften die NWZler nach dem Gelage im Haus shoppen gehen, angeblich laut Chefredakteur Rolf Seelheim „eine Zuwendung des Verlages für die engagierte Mitarbeit“. Es war schon nach Ladenschluss, viele Leffers-Angestellte mussten Überstunden machen. Dann wurde die Crew dabei gesehen, wie sie mit Leffers-Tüten bepackt nach Hause wankte. Mit dem „Judaslohn“ versuche Seelheim, „einen Keil in die Redaktion zu treiben“, empört sich ein Betriebsratsmitglied. In einem Brief, der der taz vorliegt, hatte Seelheim geschrieben, dass die Zeitungen derzeit trotz Streiks erscheinen können, liege daran, dass „in den meisten Redaktionen vor allem die Leistungsträger ihrer Arbeit nachgehen“.

Mit der Gutschein-Aktion gefährde Seelheim die Glaubwürdigkeit seiner Zeitung, sagte Hartmut Kern vom niedersächsischen Landesvorstand des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV). Die Kollegen müssten damit rechnen, „dass sie demnächst gefragt werden: Und womit bist Du zu bestechen?“. Der DJV prüfe derzeit eine Beschwerde beim Deutschen Presserat.

Direkt gegen Seelheim vorgehen kann der DJV nicht mehr, da er den Chefredakteur im Dezember ausgeschlossen hatte, weil er „unzulässigen Druck“ auf Volontäre und freie Mitarbeiter ausgeübt hatte, damit sie als Streikbrecher fungieren.        Kai Schöneberg