BARBARA BOLLWAHN über ROTKÄPPCHEN
: Wie ich vom „Playboy“ einen Korb bekam

Gleich nach dem Mauerfall schrieb ich erotische Geschichten. Mein Verleger war begeistert – mein Vater nicht

Das ist ein Steckbrief. Gesucht wird: Frank Trebuth. Vermeintlicher Beruf: Verleger. Wohnort: unbekannt. Alter: unbekannt. Besondere Kennzeichen: Betrüger.

Es ist zwar schon lange her, doch noch längst nicht vorbei. Dieser Herr hatte fast auf den Tag genau vor vierzehn Jahren in einem seriösen Berliner Anzeigenblatt ein Inserat geschaltet. „Verlag sucht von Frauen geschriebene erotische Kurzgeschichten.“

Bingo, dachte ich. Die erste Zeit nach dem Mauerfall hatte ich nämlich schreibend verbracht. Mit dem Verfassen von erotischen Kurzgeschichten. Und da ich eine Frau bin, rief ich die in der Anzeige angegebene Nummer an.

Frank Trebuth schien sich über meinen Anruf zu freuen und bat mich, ihm einige Manuskripte zuzuschicken. Gleich am nächsten Tag tütete ich ein. Da ich den Briefwechsel noch habe, kann ich auch die Titel der Geschichten aufführen: „Der Bock“, „Glückseligkeit“, „Das geplatzte Essen“, „Der Krümelkacker“, „Die Beziehung oder Tanja und die Hunde“, „Die Mission“, „Fünf Uhr morgens“, „Die Taxifahrt“.

Schon fünf Tage später bekam ich Antwort. „Ihre Kurzgeschichten haben mir sehr gut gefallen“, schrieb der Verleger, „weiter so!“

Ich war aus dem Häuschen. Fast ohnmächtig wurde ich, als ich das zweite Blatt des Briefes las. Ich hielt einen Vertrag in den Händen!! Alle eingesandten Geschichten wollte er veröffentlichen! Mit der Verpflichtung, die Arbeiten in einer Auflagenhöhe von 1.000 Exemplaren zu verlegen, inklusive ISBN-Nummer. Als Autorenhonorar schrieb er 12 Prozent des Nettoladenpreises von 12,80 Mark fest.

Das ist der Westen, dachte ich. Unbeschränkte Möglichkeiten. Meine Eltern, die sich sorgten wegen meiner Arbeitslosigkeit, konnte ich beruhigen. Ich erzählte ihnen von meiner schriftstellerischen Karriere. Damit weckte ich auch ihre Neugierde. Mein Vater bat mich, ihm mal einige der Geschichten zu schicken. Ich tat es, obwohl mir klar war, dass das schwierige Gespräche nach sich ziehen würde.

Frank Trebuth bat mich, „falls weitere Arbeiten vorhanden“, um „kurzfristige Zusendung“ derselben. Ich schrieb mir die Finger wund und schickte zehn weitere Geschichten und einige Gedichte mit Titeln wie „Du“ und „Orgasmus im Nebel“. Wieder war Trebuth begeistert. Und versprach die Zusendung eines zweiten Vertrages.

Mein Vater war weniger begeistert. Er fragte mich, ob ich Drogen nehme. Dann herrschte einige Zeit Funkstille zwischen uns. Auch von Herrn Trebuth hörte ich nichts mehr. Der versprochene zweite Vertrag kam nicht, obwohl ich ihn mehrmals anmahnte. Wie ich heute finde, schrieb ich viel zu nett: „Ich muss Ihnen sagen, ich fühle mich von Ihrer Arbeitsweise äußerst veralbert und verschaukelt.“

Frank Trebuth beeindruckte das nicht. Er beantwortete meine Briefe nicht und ging nicht ans Telefon. Auch ein Besuch bei der von ihm angegebenen Adresse brachte kein befriedigendes Ergebnis. Niemand öffnete.

Ich ging daraufhin in eine große Buchhandlung, nannte die ISBN-Nummer und siehe da – Band I der erotischen Kurzgeschichten erschien als Ankündigung auf dem Bildschirm und mein Name!

Alles wird gut, dachte ich. Doch nichts wurde gut. Frank Trebuth blieb unauffindbar. Ich schrieb ihm einen weniger freundlichen Brief, indem ich den Vertrag kündigte und ihn aufforderte, mir meine Manuskripte unverzüglich zurückzuschicken. „Seien Sie versichert, daß ich die Angelegenheit andernfalls nicht einfach auf sich beruhen lassen werde.“

Das Buch ist niemals erschienen. Ich glaube, dass Trebuth sich nur Manuskripte erschwindeln wollte, um diese gewinnbringend zu verkaufen. Dieser schlimme Verdacht bestätigte sich, als ich dem Playboy meine Geschichten offerierte. Bei einem Telefonat erfuhr ich von einem Redakteur, dass Trebuth dem Playboy meine Geschichten bereits angeboten hatte. Der Playboy gab ihm zwar einen Korb – mir leider auch – und der Vertragsbruch ist juristisch sicher verjährt. Aber diesen Coitus interruptus meiner literarischen Karriere verzeihe ich ihm nie.

Fotohinweis: Fragen zu Orgasmen im Nebel? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch GERÜCHTE