Ein Milchbubi als Rädelsführer

Der junge SPD-Rebell Florian Pronold hat in Bayern früh geübt, wie man gegen den Mainstream aufbegehrt

Auf seinem offiziellen Pressefoto sieht der Bundestagsabgeordnete Florian Pronold, 30, dermaßen brav gescheitelt und luftdicht in seinen Anzug verpackt aus, dass man ihn bei einem Tipp blindlings der Jungen Union und dem RCDS zuordnen würde. Einer dieser glatten, angepassten Karrieretypen eben. Mit 17 in die Partei, Banklehre, Jurastudium, Kanzlei, dann ab in den Bundestag.

Der Lebenslauf stimmt. Die Parteizugehörigkeit allerdings nicht. Und von glatt und angepasst kann seit ein paar Tagen auch nicht mehr die Rede sein. Denn Florian Pronold ist Chef der bayerischen Jusos und einer der maßgeblichen Initiatoren jenes Mitgliederbegehrens, das die SPD seit ein paar Tagen kräftig durcheinander wirbelt. Wenn man SPD-Fraktionschef Franz Müntefering nach Pronold fragt, verdreht der nur die Augen.

Und daheim in Bayern freut sich nicht einmal der konservative Münchner Merkur über den SPD-Rebellen, der doch angeblich den Kanzler stürzen will – sondern giftet lieber gegen den linken Bengel. Ausgerechnet „ihren noch ziemlich unerfahrenen Kollegen Florian Pronold“ hätten sich die zwölf Unterzeichner des Begehrens als Wortführer ausgeguckt. „Den Nachweis, dass er für die breite Mehrheit der SPD-Mitglieder spricht“, habe Pronold aber noch nicht erbracht, denn: „Mit gerade 17,7 Prozent der Erststimmen erzielte der 30-Jährige bei der Bundestagswahl das wohl schlechteste Ergebnis aller Abgeordneten im Parlament.“

Das allerdings spricht sicher nicht gegen den bayerischen Juso-Chef, denn seine Stimmen musste er gegen den Heimvorteil des Kanzlerkandidaten und Ministerpräsidenten Stoiber im rabenschwarzen Niederbayern erkämpfen. Dort, im heimischen Deggendorf, hat Florian Pronold bei seinem Eintritt in die SPD 1989 den Juso-Ortsverband überhaupt erst gründen müssen. Anders gesagt: Man kann in Deggendorf möglicherweise etwas leichter Karriere machen, wenn man in den Schützenverein und die CSU eintritt – statt in die SPD und die Gewerkschaft ÖTV.

Durch seine Entscheidung gegen den dominierenden Mainstream hat Pronold aber früh gelernt, sich mit anscheinend übermächtigen Gegnern anzulegen – und sich zu behaupten. Den Deggendorfer CSU-Oberbürgermeister Dieter Görlitz nervte er einmal so lange, bis dieser ein zweifelhaftes Honorar für eine Preisrichtertätigkeit freiwillig an die Stadtkasse zurückzahlen wollte, obwohl er es angeblich nicht erhalten hatte.

Auch innerhalb seiner Partei wusste sich Pronold, der von Gegnern in heilloser Unterschätzung schon mal als „Milchbubi“ verspottet wurde, schnell durchzusetzen. Bei der Aufstellung der Landesliste für die letztjährige Bundestagswahl verwies der Juso-Chef in seinem Bezirk den Abgeordneten Robert Leidinger, der 16 Jahre lang im Parlament saß, auf die hinteren Plätze – eine solche Entscheidung gegen einen etablierten Kandidaten hatte es in der bayerischen SPD zuvor so gut wie nie gegeben.

In Berlin ergatterte Pronold sogleich begehrte Plätze im Finanz- und im Haushaltsausschuss des Bundestages. Der gemäßigte Linke und Anhänger des Gewerkschaftsflügels machte zudem schnell auf sich aufmerksam, als er der SPD öffentlich zu einer Abkehr von der „neuen Mitte“ und zu „etwas mehr Lafontaine“ riet. Da nahmen ihn manche, mal wieder, nicht so recht ernst. Ein Fehler.

JÖRG SCHALLENBERG