Optimistische Töne im Nahen Osten

Scharon will Vorbehalte gegen Nahost-Fahrplan offenbar zurückstellen und Konfrontation mit den USA vermeiden

JERUSALEM taz ■ Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat am Dienstag erneut nach dem Fall des irakischen Regimes von einer „historischen Gelegenheit zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts“ gesprochen, die nicht verpasst werden dürfe. Vor der ersten Versammlung von Likud-Ministern und Funktionären seit seiner Wiederwahl versicherte Scharon, er werde niemals Zugeständnisse machen, die die Sicherheit Israels gefährdeten. Doch sehe er Fortschritt „rascher als man glaubt“, sollten die Palästinenser den Terror bekämpfen, die Hetze stoppen und ernste Reformen durchführen: „Ich habe die ehrliche Absicht, zu einem Abkommen zu gelangen und vielleicht sogar zu einem Frieden.“

In seiner eindringlichen Rede räumte er der katastrophalen israelischen Finanzlage breiten Raum ein. Das verstärkte den Eindruck, dass eine mögliche Kehrtwende Scharons nicht zuletzt von der Einsicht herrührt, dass Israel vor enormen wirtschaftlichen Problemen steht.

Am Dienstag meldete US-Außenminister Colin Powell in Washington, dass Präsident George W. Bushs Nahost-Fahrplan in seiner Originalversion von Dezember präsentiert werde. Seit dem Wochenende hatte Scharons Bürochef Dov Weisglass versucht, die US-Regierung von einer Liste mit Änderungsvorschlägen zu überzeugen. Der Nahost-Fahrplan soll unmittelbar auf die Vorstellung eines palästinensischen Kabinetts unter dem zukünftigen Ministerpräsidenten Machmud Abbas (Abu Mazen) veröffentlicht werden. Israels Vorbehalte wurden auf Eis gelegt, verbunden mit der Aufforderung, die Konfliktparteien sollten darüber zunächst verhandeln. Zwar hätte Israel Änderungen an dem Dokument bevorzugt, doch sei nun vor allem die Umsetzung des Planes wichtig, sagte ein Berater von Scharon gestern der Nachrichtenagentur AFP. Eine Konfrontation mit den USA solle vermieden werden.

Nicht unbemerkt blieb in Israel der Hinweis von Powell, der Fahrplan basiere nicht nur auf Bushs Vision, sondern auch auf der Initiative des saudischen Kronprinzen Abdallah vor der Arabischen Liga. Änderungen müssten überdies den Segen des „Quartetts“ – USA, UNO, Europa, und Russland – finden. Arabische Liga und Quartett gelten der israelischen Regierung eher als rotes Tuch. Der Nahost-Fahrplan sieht unter anderem die Schaffung eines Palästinenserstaates bis 2005 in drei Schritten vor.

Seit einem Scharon-Interview in der Zeitung Haaretz am Sonntag, das durch konziliante Töne überraschte, wird über Absichten und Möglichkeiten des Ministerpräsidenten gemutmaßt. Alarmierte Reaktionen im nationalen Lager sprechen dafür, dass man Scharons plötzliche Eile durchaus ernst nimmt. So sind es eher die linken Kommentatoren, die Skepsis anmelden: Militäroperationen, Hausdemolierungen, nächtliche Verhaftungen und Abriegelungen in den Palästinensergebieten gingen weiter, während es kein klares Wort zur Einfrierung von Siedlungsbau, geschweige denn Abbruch von Siedlungen, nicht einmal dutzender „wilder Außenposten“ gäbe. ANNE PONGER